Einsteigerkurs Statistik für Idioten

Kurzes Vorwort
Den folgenden Artikel habe ich mit der freundlichen Erlaubnis des Autors aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, weil ich finde, dass der Inhalt, abgesehen von seiner derzeitigen Relevanz, eine zeitlose Wichtigkeit transportiert. Da ich weiß, dass leider viele Menschen in meinem Umfeld zwar des Englischen mächtig sind aber wegen (Ausrede hier einsetzen) einen Artikel dieser Länge nicht lesen, habe ich mir die Mühe gemacht und diese Hürde nach bestem Wissen und Gewissen versucht zu beseitigen und den Kern des Artikels zu wahren. Ich lege dir, solltest du eine gewisse Sicherheit im Englischen haben, dennoch nahe den Text im Original zu lesen, weil es selbstverständlich vieles vom Witz und original Tonfall nicht herüber geschafft hat.
Vielen, vielen Dank allen Beteiligten an der Übersetzung.

And of course: thanks to Dedoimedo for his permission to translate his great article!

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Meine alltägliche Verachtung für das meiste irdische ist schon sehr hoch, doch das Jahr 2020 ließ diese exponentiell ansteigen. Diese Grundstimmung beiseite gelassen, brachte „Corona“ einen Ansturm von Populismus und Populismuswissenschaften zum Vorschein, die meine Statistik-Chakras vor Zorn zum erzittern brachten. Ich wusste ja schon immer, dass die Leute mit mathematischem Grundwissen zu kämpfen haben, aber Junge, Junge – dieses Jahr ist es ganz besonders auffällig.

Also dachte ich mir, die beste Art und Weise all diese Wut raus zu lassen, wird die sein, einen netten, kleinen Artikel zu schreiben, der einige der Grundlagen von Datenerfassung und -analyse, korrektem wissenschaftlichem Experimentieren und allem, was es mit sich bringt und das Zauberwort „Statistik“ erklärt, mit dem heutzutage wie mit einer Waffe von apokalyptischen Ausmaßen hantiert wird. Wie es scheint, treffen Leute Entscheidungen auf Grundlage von Statistiken, ohne dass sie die Zahlen selbst verstehen und ohne, dass diese Zahlen mit der notwendigen Sorgfalt aufgearbeitet wären oder einen tatsächlichen Nutzen hätten. Nun, dann will ich mal helfen. Hoffentlich. Bitte weiter lesen.

Anm.: Bild aus Wikimedia, lizensiert unter CC BY-SA 3.0.

Ein statistischer Idiot oder statistisch ein Idiot?

Die Antwort lautet: ja. Die Wahrscheinlichkeit, dass du eine*r dieser beiden bist, ist sehr hoch. An sich ist das auch überhaupt nicht schlimm. Selbst unter Leuten höheren Bildungsgrades, darunter auch viele mit höhere wissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Abschlüssen, ist ein sicherer Umgang oder gar Beherrschung von Statistik keine Selbstverständlichkeit. Vor Allem, weil Statistik meist nicht sehr intuitiv ist (z.B.: Satz von Bayes, Prävalenzfehler) und weil die Gleichungen kompliziert sind. Bitte eine*n „Ingenieur*in“ darum, eine Methode der kleinsten Quadrate zu erklären und dann zu entwickeln oder die Analyse einer Linearen Regression an einem Datenbestand durchzuführen und du wirst sehen, wie er/sie damit kämpft. Und dann sprechen wir hier nicht mal von Dingen wie Varianzanalyse. Nein, nein.

Kombiniere das mit menschlicher Faulheit und grundsätzlich nicht besonders hoher Intelligenz (der breiten Masse) und es bleibt kaum eine Möglichkeit, oder sagen wir lieber es bleibt eine nur sehr, sehr, SEHR geringe Wahrscheinlichkeit, dass es möglich ist, einem normalen Menschen zu helfen, tatsächlich Statistik oder auch nur die Grundlagen von Datenmanipulation (nicht die schlechte) zu verstehen. Das Problem besteht darin, dass Statistik zur Manipulation (im schlechten Sinne) von Daten genutzt wird. Hallo Politik!

Statistik der Angst

Die Dinge werden dann besonders knifflig, sobald „die Medien“ die Finger an Zahlen bekommen und diese zu einer gruseligen Geschichte aus Wenns und Vielleichts verweben, welche für normale Leute wie fatalistische, unheilvolle Voraussagen klingen. Du brauchst dafür nicht lange nach Beispielen zu suchen. Das derzeit umher gehende Schreckgespenst, bietet die perfekte Kulisse. Beispielsweise könnte ein Bericht sagen:

Es ist zu 80% wahrscheinlicher an Krankheit B als an Krankheit A zu sterben.

Ein*e gewöhnliche*r Mundatmer*in, der/die diesen Informationsfetzen liest, würde ihn wie folgt interpretieren:

OMG, wenn ich mir B einfange, werde ich mit 80%-iger Wahrscheinlichkeit sterben.

Oder noch besser, weil die meisten Leute nicht wirklich wissen, was Wahrscheinlichkeit oder Prozent bedeuten:

OMG, ich sterbe.

Massenhysterie kurz und bündig. Willkommen 2020!

Den Sinn aus der Sensationslust suchen

Um die Emotionen auf einem erträglichen Niveau zu halten, werde ich ein scheinbar neutrales Thema besprechen. Die Logik dahinter ist aber so ziemlich auf jedes Szenario anwendbar. Nehmen wir Unfälle und Todesfälle. Untersuchen wir ein hypothetisches Szenario aus einem hypothetischen Land:

  • Im Jahr X gab es 400 Verkehrstote.
  • Im Jahr X+1 gab es 548 Verkehrstote.

Nun nehmen wir an, dass dies Fakten sind (Faktencheck!) – wenngleich das auch nicht als selbstverständlich angesehen werden sollte – das schauen wir uns gleich näher an.

Was jetzt passiert ist, dass sagen wir „die Medien“ davon berichten – die Information soll berichtenswert sein, also interessant, also schockierend, kontrovers, reizvoll für den kleinsten gemeinsamen Nenner von Intelligenz, Leidenschaft und Rechtschaffenheit. Folglich wandelt es sich in:

Steigende Zahl von Verkehrsunfällen. 37% mehr Verkehrstote!

Die/der durchschnittliche Niedrig-IQ-Leser*in sieht das und denkt:

OMG, ich werde im Verkehr sterben! Warum tut die Regierung nichts?!

Die Politik ihrerseits sieht das auch und die denkt sich: lass keine Krise ungenutzt. Machiavelli – check – wir müssen etwas tun. Der berühmte blinde Aktionismus, der so brillant in „Yes, Prime Minister“, der besten politischen Satire (oder?) aller Zeiten, beschrieben wird.

Es geht nicht darum ein Ergebnis zu erzielen, es geht um Aktion.

Schau dir dieses selbstgefällige Grinsen an. Er wusste Bescheid.

Lassen wir ein Jahr vorüber gehen, überprüfen erneut die Zahlen und wir sehen ein neues Ergebnis. Ohne die Zahlen überhaupt angeschaut zu haben, ist das Ergebnis klar:

  • Der Wert fällt, was den Bemühungen von [Lieblingspartei/ wasauchimmer] zu verdanken ist. Küsse, Umarmungen, Lobpreisungen, Wählerstimmen.
  • Der Wert steigt, die Allgemeinheit hat nicht genug getan. Das liegt an [verhasste Partei/ wasauchimmer]. Verwarnungen, Zurechtweisungen, Rufe nach mehr Taten!

Selbstverständlich wird jede*r der/die bis 42 zählen kann und nicht vorher verwirrt aufhören muss, glauben, dass das völliger Blödsinn ist. Doch das ist erstaunlicherweise exakt die Art, wie schon bei den antiken Sumerern Politik gemacht wurde – den Kontext mehr oder weniger. Man hatte damals keine Autos, sondern nur autonom gefahrene Ochsen und Kamele.

Warum absolute Zahlen und Prozentangaben nichts heißen

Die Information, die ich im obigen Beispiel skizziert habe, ist zu 100% wertlos. Wo wir gerade von Prozentangaben und Anteilen sprechen: man beachte, wie wenn „die Medien“ von allerlei Entwicklungen sprechen, sie fast ausschließlich Prozentgrade von 0 bis 100 nutzen, jedoch Multiplikatoren für alles, was darüber hinaus geht (z.B.: x2, x5, x33), mal wieder weil Otto-Normalmensch denkt:

ZOMG, so, man kann ja gar nicht mehr als 100% haben!

Folglich ist es um 30% wahrscheinlicher, dass du X bist aber 7x, nicht 700% wahrscheinlicher, dass du Y bist.

Ein weiterer Grund hierfür ist, dass wenn man 700% schreibt, die Leute denken, etwas sei 700 Mal mehr irgendwas.

Was also mit den Zahlen machen?

Die Zahlen MÜSSEN normalisiert werden, um einen Sinn zu ergeben. Das bedeutet, absolute Zahlen in Werte umzuwandeln, die einen vorgegebenen Bezug haben, so dass sie tatsächlich abgeglichen (und verglichen) werden können. Zuerst wäre ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob 400 eine HOHE oder eine NIEDRIGE Zahl ist, offensichtlich. Wie groß ist die Bevölkerung, die tatsächlich von diesen Zahlen betroffen ist? 400 Verkehrstote in einer Bevölkerung von 1000 wäre tragisch, katastrophal. Diese 400 Toten in einer Milliarde wären individuell tragisch, jedoch bedeutungslos aus einem allgemeinen Blickwinkel betrachtet.

Weiterhin ist da die Sache der statistischen Wichtigkeit oder Bedeutung zu beachten. Aus einer rein mathematischen Perspektive betrachtet, sagt uns dieser Wert, ob etwas was wir messen, sich aus einer bewussten Änderung am System ergibt oder ob es Teil des „Hintergrundrauschens“ im System ist – ein Grad der Zufälligkeit, die im System existieren mag.

Um ein Beispiel zu nennen: nehmen wir an, du verschüttest eine Tüte Kaffeebohnen auf dem Boden. Die Bohnen fallen dergestalt, dass sie deinen Namen auf dem Boden bilden. Betrachtest du das nun aus der physikalischen Perspektive, gibt es keinen Grund, weshalb das nicht passieren kann. Es ist nur, dass die Wahrscheinlichkeit hierfür SEHR NIEDRIG ist. Wenn ich hier mal ein wenig Name-Dropping betreiben darf – aus physikalischer Perspektive ist die Verteilung der Bohnen „relativ“ leicht zu erklären, zieht man statistische Mechanik, die kanonische Gesamtheit oder Entropie zurate.

Wenn du nun die Bohnen einhundert Male verschüttest, stellst du womöglich fest, dass die Bohnen 1cm bis zu 10m von dir entfernt fallen können. Das wird dir etwas über die Verteilung von Bohnen sagen und dir ermöglichen, eine mathematische Formel zu entwickeln, welche dir wiederum ermöglicht eine Trennung der Ereignisse durchzuführen, die Teil der Beliebigkeit des Systems sind und jenen, die Ergebnisse absichtlicher Veränderungen sind. Vielleicht, ob das Aufstellen einer neuen Verkehrsregel tatsächlich eine aussagekräftige (statistisch bedeutsame) Auswirkung auf die Zahl der Verkehrstoten hat.

Wir wissen in unserem Beispiel nicht, welche Art Fehler wir an unsere jährlichen Daten anbringen können, um festzustellen, ob ein Anstieg oder Abfall in den folgenden Jahren augenscheinlich beliebigen Variablen zuzuschreiben ist, die nicht überprüft oder kontrolliert werden, nicht bedacht oder berücksichtigt sind, nicht leicht zählbar sind oder absichtlich eingeführten Änderungen zugrunde liegen.

Das bringt uns dazu, was ein echtes wissenschaftliches Experiment ausmacht und wie es durchgeführt werden muss, damit wenn man etwas behauptet (Hypothese), man auch einen nachvollziehbaren Weg hat, diese Behauptung zu belegen oder zu widerlegen. Aber dazu später mehr. Gehen wir nochmal zurück zu den Zahlen.

Die Zahlen müssen also einer Normalisierung unterzogen werden. Leichteste Möglichkeit: Anzahl Toter pro Tausend.

Das reicht aber nicht. Es müssen haufenweise Faktoren berücksichtigt werden. Hierzu zählen beispielsweise: das durchschnittliche Alter und durchschnittliche Fahrtstrecken von Fahrer*innen, Fahrzeugdichte pro Kilometer Straße, wie viel Sonnenschein, Nebel oder Schnee die Straße im Jahr ausgesetzt ist, die durchschnittliche Temperatur der Umgebung, die Art der Straßen, die Qualität und das Alter der Fahrzeuge auf der Straße, Strenge der Fahrprüfungen und Verkehrskontrollen und -überwachung, Geschwindigkeiten und weitere. Weiterhin gilt es Variationen dieser Faktoren zu beachten, ihre Wichtigkeit und Bedeutung in der Gleichung und die Interaktionen mit- und untereinander zu erfassen.

Das ergibt eine fast unendliche Anzahl von Möglichkeiten und Permutationen, welche nicht auf bedeutsame Art und Weise geprüft werden können. Insbesondere nicht im üblichen Zeitrahmen, den Menschen erwarten.

Hier muss ich einen weiteren wichtigen Begriff einbringen: „Statistical Engineering“.

Das ist mein allerliebstes Feld auf der ganzen Welt – zumindest wenn es um Zahlen geht – und es bietet einen universellen Weg, die wichtigen Faktoren in vielfaktorigen Konstellationen zu bestimmen, die komplexe Interaktionen beinhalten. Meine ganze berufliche Arbeit hindurch, habe ich es mit großer Freude genutzt, damit beeindruckende Ergebnisse erzielt und es in jedem Buch technischen Inhalts, was ich geschrieben habe, dargelegt. So selten aber das Wissen um Statistik schon ist, ist das Wissen um Statistical Engineering leider noch seltener (trauriges Gesicht macht).

Nochmal – zurück zu unseren Zahlen …

Nehmen wir an, wir entwickeln ein System, welches genau die 10+ wichtigsten Faktoren berücksichtigt, die mit Verkehrsunfällen und -toten zu tun haben und wir verstehen ebenfalls was eine bedeutende Veränderung ausmacht (sagen wir Stichprobenfehler, bekannte Verteilung, etc.), so können wir uns dann die Zahlen auf angemessene Art und Weise ansehen.

Aber … wir haben nicht über die Erhebung der Zahlen gesprochen und ob die „Rohdaten“, die wir haben, überhaupt valide sind.

Wir haben angenommen, dass 400 und 548 richtige und exakte Zahlen sind.

Das ist ein weiteres Problem, was über die Statistik hinaus geht. Es ist die Validität der Daten und daraus folgend, die Verlässlichkeit unseres „Experiments“, die Methode, mit der die Daten erhoben, gesammelt und an der ursprünglichen Hypothese geprüft wurden.

Wir wissen nicht, ob die zwei Werte 400 und 548 mit den selben Kriterien gemessen wurden. Was beispielsweise, macht einen Verkehrsunfall aus? Beinhaltet dieser Fußgänger und Radfahrer? Sind Landstraßen und Industrieunfälle auch dabei? Hat sich an den Kriterien zur Klassifizierung eines Unfalls als Verkehrsunfall im vergangenen Jahr etwas geändert?

Wenn du ganz, ganz, ganz schnell fährst, lässt du jede Sekunde ein längeres Stück Straße hinter dir, als wenn nicht.

Wenn die Antwort „ja“ lautet, etwas hat sich an der Messung, der Sammlung und Klassifizierung von Daten geändert, verliert das Experiment seine Gültigkeit. Daten, die aus UNTERSCHIEDLICHEN Experimenten stammen miteinander zu vergleichen ist unzulässig. Das macht insbesondere das Vergleichen von Verkehrsunfällen in unterschiedlichen Ländern oftmals zum Problem. Man kann keine Werte von Straßen aus der Mongolei mit Werten aus den Niederlanden vergleichen. Man kann nicht mal Spanien mit Finnland vergleichen, auch wenn beides entwickelte Länder der EU sind.

Dann wiederum könnte man annehmen, dass wenn man Studien über riesige, scheinbar beliebige Bevölkerungen durchführt (wie Staaten), sich die vielen Anomalien gegenseitig ausgleichen und zum Schluss glaubhafte Informationen übrig bleiben. Das kann richtig, kann aber auch falsch sein. Anhand unseres vorangegangenen Beispiels ist erkennbar, dass eine Zunahme im Jahr X+1 ein Resultat besserer Berichterstattung sein kann oder von zwei zusätzlichen Unfällen, die Busse beinhalteten oder aufgrund eines großen infrastrukturellen Projektes irgendwo im Land oder von einer Veränderung in der Straßenverkehrsordnung. Ohne diese Dinge zu berücksichtigen, wird der Versuch ein Problem zu „beheben“, zu willkürlichen Ergebnissen führen.

Richtiges wissenschaftliches Experimentieren

Willst du also über Zahlen sprechen, müssen diese Zahlen exakt sein, was zu aller erst bedeutet, dass du die Präzision und Strenge des wissenschaftlichen Experimentes einhalten musst. Das ist von größter Wichtigkeit.

  • Beobachte ein Phänomen (meist heikel in Gesellschaften aber mit viel Mühe machbar) – die Beobachtungen müssen nach streng vorgegebenen Kriterien durchgeführt werden. Beispielsweise muss es exakte deterministische Vorgaben für jede Art von beobachtetem Ereignis geben. Einfach drauf los is nich.
  • Schlage eine Erklärung für das Phänomen vor. Das ist der allererste Schritt. Wenn du ein Phänomen nicht verstehst oder nicht weißt, was dazu führt, ist es schwer es zu kontrollieren oder zu verändern.
  • Definiere die Art und Weise, nach der du deine vorgeschlagene Erklärung überprüfen wirst; du wirst also etwas bestimmtes tun, was dazu führen wird, dass sich an dem Phänomen etwas verändert. Das wird letztlich dein Experiment und muss im Voraus gemacht werden.
  • Definiere Erfolgskriterien für dein Experiment. Auch das musst du im Voraus tun, was bedeutet, dass du nicht beliebig Daten herumsammeln kannst, um dann zu versuchen, darin rückblickend eine Gemeinsamkeit oder Erklärung zu finden. Das ist verdammt wichtig, damit du nicht deiner eigenen Voreingenommenheit deine These zu bestätigen (Bestätigungsfehler), zum Opfer fällst. Nichts ist schlecht an einem Versuch, der dir negative Ergebnisse liefert oder mit anderen Worten deine ursprüngliche Hypothese als falsch entlarvt. Großartig. Du kannst dir jetzt einen anderen Vorschlag zur Erklärung des beobachteten Phänomens überlegen.
  • Führe das Experiment durch, ohne etwas am restlichen Aufbau (System) des Experiments zu ändern. Wenn sich andere Bedingungen oder Variablen ändern, wird dein Experiment ungültig. Wenn du beispielsweise prüfen willst, ob die Einführung neuer Geschwindigkeitsbeschränkungen die Anzahl der Verkehrsunfälle irgendwie verändert, sollte das der einzige Parameter im System sein, der sich verändert. Wenn du plötzlich eine höhere Frequenz von Polizeistreifen und strengere Kontrollen einführst oder starken Verkehr (wie Lastenverkehr) auf separate Straßen umleitest, die von Pendlern nicht befahren werden, hast du etwas am System verändert und das Ergebnis wird nicht widerspiegeln, was du prüfen wolltest.
  • Werte die gesammelten Daten unter Berücksichtigung der Erfolgskriterien aus. Das ist nicht einfach. Die Analyse muss folgende Punkte erfüllen: objektiv, unemotional und konsequent. Bekommst du Ergebnisse die deine Hypothese widerlegen, großartig. Akzeptiere es und mach weiter. Wenn du an dieser Stelle versucht bist, die Daten oder die Analysemethoden zu verändern, lass es. Du machst das Experiment damit ungültig. An dieser Stelle nochmal: darum MÜSSEN Methoden und Erfolgskriterien im Voraus definiert werden.

Datenanalyse …

Datenanalyse ist ein schwieriges Thema. Selbst wenn du alle Schritte des Experimentes richtig befolgt hast, kannst du immer noch unglaublich viele Fehler bei der tatsächlichen Analyse und Interpretation der Daten und Ergebnisse machen. Du kannst nicht beliebige Gleichungen anwenden, wenn du nicht weißt, wie deine Daten aussehen. Verteilungen sind wichtig. Ein großartiges Beispiel dafür wie wichtig es ist, die gesammelten Daten richtig zu verstehen ist Anscombes Quartett, auf welches ich übrigens in Kapitel Acht meines Problemlösungsbuches eingehe. Dieses Beispiel zeigt die Angelegenheit in sehr klarer und schlauer Weise. Simpsons Paradoxon ist ein weiteres Beispiel dafür, wie blindes Ansetzen von Gleichungen zu falschen Interpretationen der Ergebnisse führt.

Du könntest versucht sein, manche Daten zu ignorieren oder als unwichtig auszusortieren, was aber nur geht, wenn die Mathematik dies zulässt. Es gibt sehr strenge Regeln für Ausreißer und Extremwerte in unterschiedlichen Verteilungen von Datensätzen, wo es keinerlei Spielraum für Emotionen jedweder Art gibt. Hier könnte sich die Voreingenommenheit die eigene These bestätigen zu wollen einschleichen und die logische Herangehensweise behindern.

Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist sich sehr über die Tatsache im Klaren, dass wir Menschen logischen Trugschlüssen zum Opfer fallen können. Deshalb gibt es zusätzliche Schutzmaßnahmen, wie Blindstudien, Peer-Review (Kreuzgutachten), eine Kombination beider und anderes. Erst recht, wenn es einen extremen öffentlichen Druck hin zu einem bestimmten Ergebnis gibt, kann es unglaublich schwierig sein, wissenschaftliche Experimente in reiner, perfekter Isolation durchzuführen.

Dramatisieren wir ein wenig

Da dieser Artikel zu fachlich, zu langweilig und nicht kontrovers genug ist, möchte ich ein beliebtes aktuelles Thema ansprechen: vom Menschen verursachter Klimawandel (formerly known as „globale Erwärmung“). Einer der Gründe, aber nicht der einzige, warum das so ein kontroverses Feld ist, ist die Komplexität des Systems und wie das „Experiment“ durchgeführt wird.

Im Prinzip haben wir direkte Messungen aus etwa 150 Jahren (etwas weniger) und indirekten Rechenergebnissen, die Millionen von Jahren zurück gehen. Die Daten aus der jüngeren Vergangenheit beruhen auf Beobachtungen, die in der Folge genutzt werden können, um eine Erklärung vorzuschlagen: der Einfluss des Menschen auf das Klima. So weit, wo gut. Die zwei Dinge, die jedoch in dieser Gleichung fehlen, sind die Erfolgskriterien und die Möglichkeit das Experiment fortzuführen, ohne das System zu verändern.

Weiterhin ist die Welt ein dynamischer Ort. Unser Dasein und unser Lebenswandel auf dem Planeten ändert sich andauernd, was auch unsere Auswirkungen auf die Umwelt mit einbezieht. So haben Regierungen schon Maßnahmen eingeführt, um die Auswirkungen auf die Umwelt (wie Kohlendioxidausstoß) zu reduzieren. Das ist jedoch genau das, was unser Versuchsaufbau (im experimentellen Sinn) bräuchte. Nämlich dass er unverändert bleibt, um feststellen zu können, ob unsere Hypothese korrekt ist.

Idealerweise würden wir das Experiment einfach eine zeitlang laufen lassen, doch hier gibt es (wieder) zwei Probleme. Einmal kennen wir die Systemlatenz nicht, also wie lange es dauert, bis unser System reagiert. Bei einem System wie es das Klima eines Planeten ist, sprechen wir von Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten oder mehr. In menschlichen Maßstäben sind das sehr lange Zeiträume und die gehen weit über das Interesse oder die Geduld jeder politischen Partei oder Bewegung hinaus; es stellt ein herausforderndes Anliegen für jene Menschen dar, die von den (negativen) Veränderungen des Klimas eines Tages betroffen sein könnten – sofern die angenommene Hypothese richtig ist. Zweitens ist es, aufgrund der verbundenen Risiken, von geringem bis keinem Interesse, dieses Experiment einfach unüberprüft laufen zu lassen, was wiederum die Wissenschaftlichkeit untergräbt, weil es Abschluss und Schlussfolgerung unterstellt, ohne alle Punkte durchlaufen haben, die nötig wären um die Hypothese zu bestätigen.

Da das Erfolgskriterium nicht bestimmt ist (das System ist einfach zu komplex), könnte man (vielleicht ein gerissener Politiker), falls das Ergebnis von einem vorhergesagten Szenario abweicht, immer sagen, „wir haben nicht genug getan“. Stimmen andererseits die Ergebnisse mit dem vorausgesagten Szenario überein, oder fallen gar „besser“ als geschätzt aus, kann man hingegen behaupten, dass die „ungünstigen Auswirkungen auf das Ökosystem unseres Planeten durch gewissenhaftes Handeln hinausgezögert“ wurden – unabhängig vom zugrunde liegenden Mechanismus. Auch wenn das im Allgemeinen etwas gutes sein mag, untergräbt das die Wissenschaftlichkeit des Vorganges und schränkt auch unser Verständnis des Systems ein, was in diesem Fall auch den Einbezug aller unberücksichtigten Faktoren einbeziehen würde – wie, sagen wir Milankovitch-Zyklen, um nur einen zu nennen. Simulationen mit Modellen großen Maßstabs sind hier eine Hilfe und wir können Supercomputer nutzen, um Jahrtausende von Daten zu berechnen, aber wir haben dann immer noch kein präzises Modell.

Schließlich ist es auch sehr schwierig, Messungen 150 Jahre lang präzise, genau und unbeeinflusst von der Umgebung aufzubewahren. Beispielsweise wegen Bodenversiegelungen oder weil die Messmethoden und die Erfassung der Daten sich irgendwie verändert haben, so dass ein altes Experiment ungültig wird. Die Kombination aus politischem Milieu, der laxen Art des Versuchsaufbaus und der Verlässlichkeit der Daten erschaffen eine Umwelt [sic], werfen den Schatten von Zweifel über die Reinheit der Wissenschaft.

Dann wäre da noch die ganze sozioökonomische Dimension aber das ist nicht unser Thema.

Statistical Engineering

Manchmal hast du vielleicht nicht mal ausreichend Daten, um das System genug zu verstehen, um ein Experiment vorzuschlagen – entweder, weil das System zu komplex ist oder du dich noch nicht lange genug mit dem System beschäftigt hast. Nicht schlimm. Beispielsweise könntest du wissen wollen, welche Komponente (Hardware oder Software) in einem Data-Center Server-Gerät der Hauptleistungsträger für deine Programme ist (oder sein wird).

In einem solchen Fall, sähe ein klassisches Experiment etwa so aus:

  • Zu prüfende Komponenten: Typ und Größe des physikalischen Speichers, Art der Festplatte(n), Art der CPU und Betriebssystem.
  • Zu prüfende Ebenen: das einfachste Experiment bestünde daraus, zwei Ebenen für jede Komponente auszuwählen, sie als hoch und niedrig zu klassifizieren – was hohe oder niedrige Leistung bedeuten würde – lineare Interaktion zwischen den beiden Ebenen anzunehmen und dann das Experiment zu starten, indem du jede mögliche Kombination ausprobierst.

Wenn wir von nur vier Komponenten und Zwei Ebenen ausgehen, sind also 16 Kombinationen zu prüfen (2⁴). Solltest du, sagen wir sieben Komponenten und vier Ebenen haben, wird das klassische Experiment undurchführbar (4⁷), weil niemand hunderte oder tausende Experimente auf praktische Art durchführen kann und weil es auch gut sein könnte, dass es unmöglich wird, die Interaktionen ordentlich zu analysieren.

Hier kommt „Scientific Engineering“ ins Spiel.
Im Scientific Engineering geht es vor allem mehr ums Y –> X als ums X –> Y, welches das klassische Experiment darstellt. Scientific Engineering konzentriert sich auf die Analyse von Abweichungen – das Herausfinden der bedeutendsten Größe zu einem System, selbst wenn du das System und alle darin statt findenden Interaktionen noch nicht ganz verstanden haben solltest. Das vereinfacht den Aufbau dergestalt, dass du nur noch mitschreiben musst, während die Komponenten x Ebenen durchlaufen.

  • Um zurück zum Server-Beispiel zu gehen, wählst du eine Komponente aus, sagen wir Art der Festplatten und lässt den Rest UNVERÄNDERT.
  • Jetzt führst du dein Experiment für jede vorgegebene Ebene durch – sagen wir zwei (HDD und SSD). Du prüfst die Performanz deiner Programme.
  • Du wiederholst das mit den anderen Komponenten. Eine nach der anderen, während der Rest unverändert bleibt.
  • Wonach du suchst, sind die Abweichungen zwischen den Ergebnissen. Die Komponente, die am meisten beiträgt, ist der Hauptfaktor.

Mit diesem Experiment wirst du die Komponente ausmachen, die den wichtigsten Teil zu deinem System beiträgt. Das kann jetzt als anfängliche Beobachtung betrachtet werden und von hier an kannst du nun die Komplexität deines Experiments zu einer kleinen, überprüfbaren Anzahl von Variablen reduzieren. Beispielsweise könnte ein Statistical-Engineering-Experiment ergeben, dass die CPU die wichtigste Komponente darstellt. Wenn du nun die Performanz deiner Programme erhöhen möchtest, richtest du darauf deine Bemühungen. Du schlägst ein Experiment vor … und weißt, wie es weiter geht.

Mal wieder … zurück zu unseren Zahlen

Was wir bisher wissen:

  • Wir wissen, dass Zahlen allein keine Bedeutung haben – sie müssen normalisiert werden.
  • Wir wissen, dass wir die Messmethoden beachten müssen, sonst könnten wir Mangos und Pflaumen vergleichen.
  • Wir wissen, dass wenn wir die Zahlen verändern wollen (die Zahl der Verkehrstoten senken), wir das System verstehen müssen.

Das bedeutet, kleine, vereinzelte Änderungen durchzuführen, um die Auswirkung auf das Ergebnis als Ganzes zu verstehen – und das heißt, nur jeweils einen Parameter zu verändern. Ja, das ist nicht leicht, wenn die Zahlen hohe gesellschaftliche Relevanz oder gar Einfluss auf politische Beliebtheit haben und deshalb damit beschmutzt sind. Aber es ist die KORREKTE Vorgehensweise, weil es uns ermöglicht zu verstehen, was tatsächlich die Todesfälle in unserem erdachten Szenario verursacht.

Im Wesentlichen bedeutet das auf Staatsniveau, die Einführung experimenteller Enklaven, in denen eine der vielen Parameter verändert wird, während der Rest so bleibt wie bisher. Geschwindigkeit, Fahrzeugdichte, Straßenqualität, Straßenbeleuchtung, jahreszeitliche Muster, etc. Nur dann können wir sinnvolle Aktionen vorschlagen – und diese natürlich testen – völlig gewahr der damit verbundenen Risiken.

Jedoch – unmöglich wenn Wissenschaft und Politik sich vermischen.

Niemand möchte gerne Politiker*in sein, die/der des „spielens mit“ oder „vernachlässigen von Menschenleben“ beschuldigt wird. Niemand möchte das mögliche Todesopfer eines „Experiments“ sein. Wenn ich „niemand“ sage, meine ich damit die Leute, die in Panik ausbrechen, wenn sie 37% in den Zeitungen lesen. Es ist ein sich selbst befeuernder, selbstzerstörerischer Kreislauf. Weil echte Wissenschaft zu langweilig und zu kompliziert ist, sind 99% der Informationen für die Öffentlichkeit über-gehypter Blödsinn, welcher dann als Propagandawerkzeug dient, um Aktion (und Publicity) unter Politiker*innen zu generieren. Dann wiederum, verstärkt durch die Medien, und hier kommt das Paradoxon, genutzt als Rachewerkzeug gegen die Politiker wenn es schlecht läuft oder nicht so wie angenommen (meist, wenn keine echte Wissenschaft im Spiel ist).

Wenn übrigens die Dinge schief laufen, beschuldigen die Leute die „Wissenschaft“ dafür falsch gelegen zu haben und nicht die Politiker oder die Medien, dass sie all überall Bullshit verbreiten haben, was zu großem Misstrauen gegenüber wissenschaftlichen Ergebnissen führt. Noch ein selbstbefeuernder, selbstzerstörerischer Kreislauf. Da es geradezu unmöglich ist, reine Wissenschaft und Politik voneinander zu trennen, beschmutzt das die Wissenschaft, was das System verändert, was wiederum dazu führt, dass das GESAMTE Experiment ungültig wird. In diesem Fall wäre das Experiment die Gültigkeit von Wissenschaft selbst, als Werkzeug zum Fortschritt der Menschheit.

Daher wird „die Wissenschaft“ auch oft als gruseliges Nebelhorn genutzt und die einzige wirklich praktizierte Methode ist „lieber auf Nummer sicher gehen“, was zu willkürlichen Entscheidungen und bedeutungslosen Änderungen in der Gesellschaft mit gewaltigen, langanhaltenden Konsequenzen führt. Willkommen 2020.

Deswegen, um zum Straßenverkehr zurück zu kehren, haben viele Länder Geschwindigkeitsbeschränkungen, die nicht unbedingt die Wirklichkeit des Verkehrs widerspiegeln. Es ist jedoch eine leicht zu beobachtende, leicht zählbare, leicht erklärbare und leicht zu veröffentlichende Änderung, auch wenn die Ergebnisse das nicht unterstützen mögen.

Und deswegen misstrauen Leute, die tatsächlich mit Zahlen umgehen KÖNNEN, oft den medial gehypeten Werten und Statistiken, weil sie keine sauberen Ergebnisse aus korrekt überwachten wissenschaftlichen Experimenten (im weiteren Sinne) darstellen, sondern leicht zu verdauende, populistische Häppchen, die der gewöhnlichen Bevölkerung Angst einflößt – sehr oft mit politischer Tendenz oder sogar direkter finanzieller Beteiligung von Interessengruppen.

Konsens

Menschen sind Herdentiere. Wir schaffen andauernd Herden und wir erhoffen uns von den Mitgliedern unserer Herden und Stämme Bestätigung für unsere Entscheidungen. Manche Herden können sehr klein sein, wie die Familie, während andere riesig sein können, wie sagen wie die Fangemeinde eines Pop-Stars oder Sportvereins. Unser Herdentrieb ist jedoch das komplette Gegenteil dessen, was Wissenschaft ausmacht.

Weder ist Wissenschaft ein sinnloser Diskurs unter Akademikern, noch ist sie eine Demokratie. Tausend Falschaussagen ergeben nicht einen korrekten Konsens. Führst du einen Versuch durch und erhältst ein Ergebnis und es kommt jemand anderes beim selben Versuch zum selben Ergebnis, großartig! Ihr könntet beide Unrecht haben! Oder Recht! Hast du mehrere, voneinander unabhängige Experimente, die die selbe gemeinsame Theorie bestätigen, minimiert das normalerweise die Wahrscheinlichkeit, dass deine Idee falsch war aber…

„Ihr seid alle Individuen!” -Brian. „Wir sind alle Individuen!” -die Menge

Die meisten Experimente sind nicht unabhängig und Ideen sind meist gefärbt von „intellektueller Osmose“, da Leute mit ähnlichen Interessen ähnliche Gedanken und Daten teilen und ihre Vorannahmen, zum besseren oder schlechteren gegenseitig verstärken. Durch die Geschichte hinweg hat es unzählige Beispiele dafür gegeben, dass es Einigung auf einen „Konsens“ gab, der sich als grundfalsch herausstellen sollte. Um nur ein paar beliebige Beispiele zu nennen, wurde lange Zeit geglaubt, Geschwüre würden (hauptsächlich) durch Stress verursacht, was sich als falsch herausstellte. Dann wären da die beschissenen Eugenik-Theorien, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so populär waren.

Andererseits ist die Forschung auf dem Gebiet des photoelektrischen Effektes ein großartiges Gegenbeispiel. Albert Einstein gewann hierfür den Nobelpreis und nicht, wie die meisten Leute denken, für seine Arbeit an der allgemeinen oder speziellen Relativitätstheorie. Aber ich schweife ab. Wichtig hier ist, dass Einstein seine Hypothese 1905 aufstellte und es dauerte eine ganze Weile (mehrere Jahre), bevor seine Voraussagen empirisch als richtig bewiesen werden konnten – trotz ziemlich signifikanten Widerstands. Konsens hat die Wirklichkeit nicht verändert. Die Quantenphysik interessiert sich nicht für menschliche Gedanken.

Menschen fällt es sehr schwer sich vom angeborenen Bedürfnis nach Zugehörigkeit zu trennen – doch die Wissenschaft erfordert einen isolierten, unabhängigen Zugang zum Experiment. Das ist selbst unter den besten Voraussetzungen nicht leicht zu erreichen, ganz zu schweigen davon, wenn es einen immensen wissenschaftsfernen Druck hin zu bestimmten Ergebnissen gibt.

Wissenschaft als Religion

Seit tausenden von Jahren spielt Religion kultur- und gebietsübergreifend eine riesige Rolle im Leben der Menschen. Der gewaltige Fortschritt der Wissenschaft in den letzten etwa 200 Jahren hat die klassische Anhaftung an Religion in manchen Teilen der Welt angefressen, doch das hat nichts an der menschlichen Psyche geändert, was dazu führt, dass einfach das Konzept von Religion durch Wissenschaft ausgetauscht wird, ohne einen konzeptionellen Wandel im Denken durchzuführen.

Einige der Phänomene beinhalten:

  • Wissenschaft wird absolut – richtig oder falsch (wenn doch die Aussage eigentlich lauten sollte: ich brauche mehr Informationen).
  • Wissenschaft wird als magisches Zepter geschwungen und du hast es unweigerlich zu akzeptieren. Skepsis ist keine erlaubte Reaktion.
  • Wissenschaftler werden als Priester behandelt und ihr Wort ist heilig (oder ketzerisch, je nach dem).
  • Annahme oder Ablehnung jedweder „wissenschaftlicher“ Idee, erweckt eine dogmatische, emotionale Reaktion.
  • Gewöhnliche Leute erwarten von den Wissenschaften das Wirken von Wundern; vermag sie das nicht, ignorieren sie es entweder oder lehnen es als Irrglauben ab. Lehnen sie sie von vornherein ab, verstärkt das Ergebnis diese Ablehnung. Wenn Leute von Experimenten erwarten, das „Nichtexistierende zu widerlegen“, werden die Dinge noch schlimmer.

Unglücklicherweise gilt das sowohl für jene Leute, die die meisten wissenschaftlichen Theorien ablehnen, als auch für jene, die sie annehmen. Anstatt die Wissenschaften als komplexes Feld mit einer unendlichen Folge von Experimenten zu betrachten (die sich übrigens meistens als falsch herausstellen), wird die Wissenschaft zu nichts als einer binären Wahl reduziert: ja oder nein, dafür oder dagegen.

Solltest du finden, dass ich ein Effekthascher bin, such dir einfach irgendein populäres Thema heraus – inklusive dem 2020-Favoriten „Corona“ – tausche die Wörter der Themen durch klassische Wörter aus Religion aus und du wirst feststellen, dass Wissenschaft keine Rolle in der Gleichung spielt.

Malen wir es uns doch mal tatsächlich aus. Ich füge unten mal einen editierten Schnipsel aus einem Thema aus Wikipeda ein, welches von einigen eben erwähnten Ideen handelt. Bitte beachte aber, dass es sich nur um einen Artikel handelt, nichts offizielles und jede*r kann seine/ihre Gedanken und Meinungen beisteuern. Das ist auch gut so. In vielen Fällen jedoch und für normale Leute, könnte das eine Quelle für Informationen sein, auf die sie zurückgreifen (wenn überhaupt). Also:

Verneinung von X oder Verneinung von Y ist Verneinung, Ablehnung oder unberechtigter Zweifel, der dem wissenschaftlichen Konsens zu X widerspricht; dazu zählt das Ausmaß zu dem es durch Menschen hervorgerufen wird, seine Auswirkungen auf Natur und menschliche Gesellschaft oder das Potential zur Adaption zu X durch menschliches Wirken. Viele, die ablehnen, verneinen oder unbegründeten Zweifel am wissenschaftlichen Konsens über X hegen, nennen sich „X-Skeptiker“, was viele Wissenschaftler als ungenaue Beschreibung bezeichnen. Verneinung von X kann auch implizit sein, wenn Individuen oder Gruppen die Wissenschaft akzeptieren, doch daran scheitern sie anzunehmen oder ihre Akzeptanz in die Tat umzusetzen.

Zuerst wäre da das Aufführen „unberechtigten Zweifels, der widerspricht“. Die Motivation hinter Wissenschaft ist Zweifel bzw. Skepsis, was wiederum aus Neugier rührt. Stellt man die bestehenden Konventionen und Theorien nicht in Frage, entstehen keine neuen Ideen und es kann keinen Fortschritt geben. Zweifeln ist keine schlechte Eigenschaft. Es ist ein sich selbst überprüfender Mechanismus, der uns in jeder Situation dabei hilft, unsere Überlebschancen zu erhöhen.

Zweitens der Teil über Aktivismus, in dem gesagt wird, dass du nicht nur keine Meinung haben darfst, die dem Konsens widerspricht, du sollst die Akzeptanz gar in die Tat umsetzen. Im Grunde also Gruppenrituale. Ignorieren wir für einen Moment, dass die meisten Menschen nicht die Möglichkeiten haben, das eigentliche wissenschaftliche Problem zu verstehen, um richtig zu entscheiden, was sie tun „sollten“. Aber hey – wenn du nicht dafür bist, bist du eben dagegen! Einen Mittelweg gibts nicht.

Um die Angelegenheit weiter einzuzementieren, zeigt der Artikel drittens noch ein Kuchendiagramm, welches „Prozentanteile“ aus mehreren Studien zeigen, die X bestätigen sollen. Nochmal, Wissenschaft ist nicht irgendeine Lagerfeuerdiskussion und Konsens ist Irrelevant. Alles was zählt ist, ob die Daten genau sind und die Ergebnisse der Analysen sich mit den im Raum stehenden Erklärungen deckt, die auf den Methoden des Experimentes beruhen, auf die sich geeinigt wurde. Alles weitere ist gefühlsduseliger Unsinn.

Was sollte ein*e gewöhnliche*r Nicht-Experte /Expertin hier tun?

„TL;DR“? Dann lieber ganz, ganz ruhig sein.

Aus irgendeinem Grund jedoch, finden die meisten Leute, dass sie sich in Dinge einmischen sollten, auch wenn sie nur ein eingeschränktes Verständnis davon haben, was da vor sich geht. Wenn es auch noch um Wissenschaft geht, werden die Dinge besonders knifflig. Ich habe viel Zeit damit verbracht mir eine einfache Formel dafür auszudenken, die es ermöglichen würde zu beurteilen, ob sie dazu qualifiziert sind, an Diskussionen zu wissenschaftlichen Themen, besonders Statistik, teilzunehmen.

Ich könnte falsch liegen, doch ich glaube, ich habe sie gefunden. Das mag zwar seltsam oder auch extrem arrogant klingen aber lass mich aussprechen. Die Antwort lautet: partielle Differentialgleichungen. Solltest du nicht wissen, wozu diese da sind oder was sie machen, wirst du wahrscheinlich auch nicht sonderlich gut darin sein Zahlen zu analysieren, und/oder du wirst falsche Schlüsse aus deiner Interpretation von Daten ziehen.

Im Umkehrschluss ist aber Wissen über PDG nicht = gute Zahlenverarbeitungs-Skills! Bei weitem nicht!

Was dir das oben stehende aber sagt ist, dass wenn du keine Ahnung hast, wovon ich gerade gesprochen habe, solltest du wann immer Zahlen besprochen werden, wann immer Statistiken bemüht werden, wann immer du herausfinden musst, ob die Zahlen etwas „sagen“, was du meinst zu wissen, lass es einfach. So verlockend es auch ist, dich in deine sozialen Medien einzuloggen und Schwachsinn zu reden, einfach lassen.

Schließlich noch ein paar praktische Tipps

Ich sollte ein paar Dinge, die ich hier geschrieben habe, zusammenfassen, damit ich dir etwas praktisches und greifbares auf den Weg geben kann:

  • Statistiken sind oft nicht intuitiv.
  • Du benötigst ein starkes mathematisches Fundament, um Statistiken gut zu verstehen.
  • Statistiken, die in öffentlichen Medien veröffentlicht werden, sind meistens nutzlos, da sie nicht den nötigen Kontext mitliefern.
  • Sie sind gemacht, um Leserschaft anzusammeln, nicht um wissenschaftliche Neugier zu wecken.
  • Prozentangaben sind oft nutzlos.
  • Absolute Zahlen sind oft nutzlos.
  • Zahlen müssen an einem gut definierten Referenzwert normalisiert werden.
  • Zahlen sind sinnlos, wenn man das System nicht versteht.
  • Zahlen können nicht über mehrere unterschiedliche Systeme hinweg verglichen werden.
  • Für ein korrektes wissenschaftliches Experiment müssen Hypothese, Methodik, Werkzeug und erwartete Ergebnisse im Voraus definiert werden.
  • Wenn man das System ändert während das Experiment läuft, ist das Experiment ungültig.
  • Statistical Engineering ist ein hervorragendes Hilfsmittel zum Verständnis komplexer Systeme.
  • Politik und Wissenschaften gehen nicht gut zusammen – vermeiden.

Am Ende ist dieser Artikel nutzlos…

Das größte Problem mit allem, was ich geschrieben habe ist, dass es Null Veränderung auf der Welt bewirken wird. Null. Jene, die mir zustimmen, werden selbstgefällig nicken. Die wenigen, die Zahlen verstehen und das Gefühl haben, es passiert gerade eine Aushöhlung von Integrität von Daten und Berichterstattung, werden vielleicht etwas Trost darin finden, dass sie nicht ganz alleine und abgeschieden mit ihren Gedanken sind. Und die, die sich gar nicht für Daten, Wissenschaften oder Statistik interessieren werden diesen Artikel niemals sehen oder lesen, da sie besseres zu tun haben, wie zum Beispiel ihren Status updaten oder sich von den Nachrichten verängstigen lassen.

Mir ist die Vergeblichkeit meiner Bemühung hier völlig klar. Echter Wandel kann nur Ergebnis solider, wissenschaftlich orientierter Bildung über Generationen sein. Nicht zwei oder drei oder fünf Jahre, sondern Generationen. Jahrzehnte. Viel länger als die typische Amtszeit einer/eines jeden Politiker*in. Darum wird unsere (menschliche) Zukunft nicht leichter oder logischer werden. Je wichtiger die Wissenschaft in unserem Alltag wird, je vorherrschender (und auch schwieriger zu verdauen und zu analysieren) Zahlen und Daten in unserem Leben werden, umso größer wird die Spannung zwischen Wissenschaft und Politik werden.

Als Einzelne/r ist das einzige was wir wirklich im Griff haben, uns selbst und das Verständnis unserer Umwelt und das bedeutet auch, Statistiken zu verstehen, wenn sie uns vorgehalten werden. Und es bedeutet Zweifel. Nicht Misstrauen – Zweifel. Zahlen und Werte nicht wörtlich zu nehmen, sondern sicher zu gehen, dass wir das System und das Experiment, welches diese Werte ausspuckt, verstehen. Sonst verlieren wir die Kontrolle. Und wenn du dann erkennst, wie dumm der übliche Mundatmer ist und was daraus gefolgert wird, willst du von dieser Statistik ganz bestimmt nicht Teil sein, oder?

P.S. Die Bilder von Niccolo Machiavelli und den Schafen sind als Public Domain verfügbar.

Cheers.

Courageously Reasonable

The philosopher of enlightenment Immanuel Kant once wrote “Have the courage to use your own reason”.

People want to be safe, want to be secure. Inquiry is a great tool to acquire this level of security. When you ask someone’s permission to do something, to get on the safe side so you can say “well, I asked” if things go awry. This is a great way to hand over and pass on responsibility very comfortably.

But inquiry brings also a certain big risk with it: you might not get the answer you were sure to hear.

E.g. let’s say you go to your superior and ask, whether it’s OK for you to go home during your lunch break. In this case you have to be prepared that the answer might be no and the superior, wondering where you got the outlandish idea it might be OK to do so in the first place, prohibits it for everyone in their jurisdiction.

This superior – now aware of the fact that people might want to leave during their lunch breaks – creates a new law and could indeed take measures to find out if someone breaks this new law, which is the product of the good willed question.

The inquiring person on the other hand, of course starts to feel locked in and caged, starts to demand their rights and their freedom, stating that all they wanted to do was be on the safe side and resorts to a rather childish stomping of feet and resistance.

So, probably the worst part of “using your own reason” is that you have to take responsibility for your actions and the consequences which come from them.

Another example: Should I decide to cross a road which seems to be free, no cars or vehicles as far as the eye can see, but the red light clearly commands me to stop and wait, I and I alone am responsible when suddenly a car jumps out of hyper-space and runs me over. I cannot claim to have followed the rules of traffic and the car that jumped out of hyper-space to crush me in my way cannot be held accountable.

In one of my previous posts I wrote, that I find being intelligent to be very exhausting. Not only because you think a lot, but especially because you have to think for others as well, most of the time.

To elaborate this thought, traffic is indeed a great example. Where else is it more important, even necessary to constantly keep thinking for all traffic users who are all around – motorists, cyclists and pedestrians alike? Always trying to predict what the worst possible action of the other person could be. Exhausting but an absolute must.

To think on your own means thinking about what is reasonable for yourself and the people around you in the situation you’re currently in, not slavishly following a general set of rules defined by others to insure themselves against most, but never all possibilities.

In an episode of House MD. this fictional character said “rules are guidelines for morons who can’t make up their own minds!”. I love this statement.

Of course, knowing this character, you also know that it was only used to get his own way, but it mirrors beautifully what pedants and sticklers in our society are all about and it carries all those religious dogmatic nuts along, who most of all love to slavishly stick to what’s written because they see in it a universal validity.

Granted, it is not easy to use your own mind or reason for that matter and it takes some training and experience. That’s why Kant’s beautiful sentence is not an imperative “use your own reason!” but “have the courage” to do so, which is a big difference. It acknowledges that it takes courage and effort and also that it is easier to just follow rules and thoughts others have already thought. To be on the safe side rather than take the risk and to accept responsibility. It is an encouragement to emancipation.

Maybe the age of enlightenment should have been named age of emancipation – on the other hand, what name would the women rights and equality movement have gotten in that case? But that’s a question better left to a Sci-Fi book author.

The real question I ask myself in so many situations, though is whether I really need someone who thinks so many things on my behalf or if a healthy amount of education, reasoning and mindfulness by me would be enough.

Which answers my own question, I guess. I can’t expect from all people as much education and reasoning. What I can do – and here I position myself very unhumbly beside Mr. Kant – is invite to more courage.

Nummernwechsel

Der letzte Tag des Jahres. Ein beliebiger Tag, der eine Bedeutung aufgedrückt bekommt.

Ich will mich diesem Brauch beugen und möchte mal wieder einen Post schreiben, den letzten Post für dieses Jahr. Den letzten Post, der sich mit diesem abscheulichen Thema beschäftigen soll, was mich daran gehindert hat, hier weiter zu schreiben. Dieses Thema, was mich so wütend gemacht und so enttäuscht hat, dass ich all diese Wut und diese Enttäuschung nur hier herein gepustet hätte und ich wollte diese Stelle nicht verseuchen, wie ich denke, dass die Köpfe der Menschen verseucht sind. Ich möchte mich hier mit anderen Dingen beschäftigen, also puste ich jetzt alles raus, was ich los werden muss, damit ich das Gefühl habe, es los geworden zu sein.

Allen, die mich dieses Jahr verlassen, sich von mir abgewandt haben, ein großes, aus tiefstem Herzen empfundenes “FUCK YOU”!

“Du hast dich von mir entfernt”, war eine Aussage, die als Antwort auf meine Sicht auf die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Menschen, die sich von mir abgewandt haben, weil ich eine andere Meinung habe. Menschen, die sonst Toleranz predigen und die ich mitunter über 10 Jahre kenne, lesen meine Ansicht und empfehlen mir, ganz wohlgemeint versteht sich, mich in psychologische Behandlung zu begeben.

Menschen, von denen ich dachte, alles mit ihnen diskutieren zu können, was zuvor zwar schon hier und dort in Streit ausgeartet war, doch niemals hätte ich erwartet, dass die Akzeptanz für eine andere Sicht derart im Nebel der allzu schnell greifbaren Beschuldigung der Verschwörung verschwinden kann. Dass so wenig nachgefragt wird, und selbst obwohl man sich so lange kennt, ich von diesen Menschen in Töpfe mit Gesinnungen geworfen werde, von denen ich mich nicht weiter entfernt wähnen kann.

An dieser Stelle ist es mir ein Anliegen festzuhalten, dass ich mit allen meinen Voraussagen, naja, ich sage mal lieber mit dem größten Teil, richtig gelegen habe und immer noch richtig liege. Dass ich immer noch der Ansicht bin, dass die Panik künstlich erzeugt wird und dass alles sich nicht so hochschaukeln würde, würden die Menschen sich endlich mal von den Fernsehgeräten fort bewegen. Das, was darin gezeigt und gesagt wird, wird sich nicht ändern, nur ansehen muss es sich niemand. Die Dinge würden sich sehr schnell wieder normalisieren.

Die Hoffnung, dass bald alles wieder besser wird, die sich die Menschen machen, ist nachvollziehbar und hält viele über Wasser. Ich sehe allerdings, ohne mich auf irgendwelche virologischen Aussagen oder psychosoziale Prognosen stützen zu können, keine baldige Aussicht auf Verbesserung der Lage. Genau wie mit meinen bisher getätigten Prognosen, wünsche ich mir wirklich von Herzen, falsch zu liegen. Bislang war ich aber immer nur traurig darüber, dass ich richtig liege und mich frage, warum diese Schlüsse, die ich ohne fachliches Wissen in Psychologie und Soziologie habe, nicht selbstverständlicher erscheinen.

Allen, die sich von mir abgewandt haben, möchte ich zu meinem erhobenen Mittelfinger sagen, dass nicht jede/r, die/der eine andere Meinung in der Sache hat, automatisch an Verschwörungen glaubt, welcher Art sie auch sein mögen.

Wer meinen Blog gelesen hat weiß, dass ich gleichgültiger gegenüber der Frage “woher” und “warum” nicht sein kann, was das Virus und die Pandemie selbst betrifft. Mir geht es um die Auswirkungen auf die Gesellschaft und mich als Individuum.

Weil ich meine Freiheit eingeschränkt sehe und dieses als Beginn eines Trends vermute, bin ich keiner der verabscheuenswürdigen Reichsbürger oder gehöre sonst einem seltsamen Konglomerat im rechten Gedankenspektrum an. Warum der Protest diesbezüglich nicht von Links kommt, ist mir ein großes Rätsel.

Weil es mir widerstrebt, mir Regeln auferlegen zu lassen, die ich für dumm, fragwürdig und schädigend halte, weil ich mich nicht bevormunden lassen möchte. Von niemandem. Mir wird die Freiheit genommen meine Gedanken zu äußern. Niemand hält mir den Mund zu aber Menschen wenden sich ab von mir, wenn ich sie Ausspreche, was dem Verhalten entspricht, wenn jemand ein Tabu bricht. Die Person wird von manchen isoliert, von anderen wird sie für unzurechnungsfähig gehalten, einige versuchen zu verstehen, wenige fragen so viel, dass es echtes Verständnis gibt, kein Bekleben mit irgendwelchen Stigmata.

Weil ich dem Common Sense in dieser Sache nicht folge, bin ich weder automatisch Flat-Earth-Spinner, noch Chem-Trail-Gläubiger. Das einzige, was mich im Glauben von den meisten anderen unterscheidet, ist dass ich niemandem glaube. Nicht den Nachrichten oder sonst irgendwelchen Medien oder Zahlen, die durch die Weltgeschichte kursieren.

Mittlerweile sollte jede/r auf dem Standpunkt angelangt sein, dass hier so viel manipuliert werden kann, dass alleine durch eine Schlagzeile schon der Inhalt einer Statistik völlig entwertet wird. Das Verständnis und die Fähigkeit Statistiken so zu lesen, dass sie sinnvolle Aussagen ergeben, haben die wenigsten und die meisten glauben blind das, was ihnen aufbereitet wird. Ich glaube das, was ich auf der Straße sehe. Darüber habe ich in meinem vorherigen Post bereits geschrieben.

Um nicht den selben Fehler zu machen, zitiere ich hier Benjamin Franklin im Original, damit ich nichts durch Übersetzung verfälsche: “Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.

Diesen Weg beschreiten wir gerade.

Diese unglaublich deutsche Eigenschaft, die sich in den Menschen zeigt, erschreckt und betrübt mich. Dieser vorauseilende Gehorsam, der allem in mir widerstrebt, was ich in dieser Gesellschaft, in der ich diese Wichtigkeit der Aufrechterhaltung der Freiheit gelernt habe, erinnert an schlimme, ebenfalls mit Angst befeuerte Ideologien. Das waren jedoch Ideologien. Hässlich aber per Definition waren sie es.

Jetzt wird jedoch keine Ideologie, nur noch die Angst benötigt, um Gehorsam zu erzeugen.

Schilder genügen, um Menschen folgsam zu machen. Wer nicht folgt, wird von den einen schief angesehen, von den anderen zu empfindlichen Bußgeldern verdonnert. Zum Wohle der Gesellschaft.

Ich verabscheue blinden Gehorsam und ich verabscheue jene, die blind gehorchen. Wenn ich überzeugt von der Sicherheit des Tragens einer Maske bin, tue ich das von mir aus. Niemand hat das Recht dazu mich dazu zu zwingen. So wie niemand das Recht dazu hat, jemanden zu zwingen sich zu verschleiern. Niemand!

Ich werde entmündigt, wehre mich dagegen und es gibt Menschen, die sagen, ich soll mich in psychologische Behandlung begeben. Menschen, die mich deswegen zu den Schwachköpfen stecken, die sowieso bei jeder Gelegenheit Unfrieden in der Gesellschaft durch Hass stiften. Niemals soll mich jemand zu “Querdenkern” stecken. Diesem seltsamen Konglomerat aus allem, was ich eben an komischen Leuten aufgezählt habe.

Ich denke nicht quer! Ich denke für mich selbst! Ich denke nicht das, was andere für mich vorgedacht haben. Ich sehe was um mich herum passiert und ziehe daraus meine Schlüsse. Ich handle für mich und will mich in diesen Handlungen von niemandem bevormunden lassen. Ich nehme Rücksicht auf andere, die Angst haben. Das habe ich aber schon immer getan. Mit oder ohne Pandemie. Ich halte Abstand. Das habe ich auch schon immer getan. Ich bin sauber und hygienisch, auch das ohne dass mich jemand darauf hinweisen muss. Und ich halte mich fit und gesund und achte somit auch auf die Gesundheit jener, die mit mir Kontakt haben. Wer seid ihr, dass ihr euch in meine Entscheidungsfreiheit einmischt, sie einschränkt und mir sagt, ich sei ein Aluhutträger?!

Ich hoffe, so wie alle, dass es aufhört. Ich glaube nicht daran. Ich hoffe, ich werde meinen Drang zum Widerstand weiter unterdrücken und kontrollieren können.

Ich hoffe, wir können uns bald alle wieder um wirkliche Probleme kümmern.

Aufstauung

Es ist mir unmöglich meinen eigenen Standpunkt zu vertreten, ohne meine Vernunft angegriffen zu sehen. Es findet die Anschuldigung statt, sich zu Flat-Earthern oder anderen religiösen Gruppen und Gläubigen zu bekennen. Ich habe eine Gruppe gefunden, deren Ansichten sich zu einem Großen Teil mit meinen deckt: www.aerzte-fuer-aufklaerung.de
Es ist gut möglich, dass ich mich in einem Monat, in einer Woche, ja gar morgen schon wieder von ihnen Distanziere. Jetzt vertreten sie aber das, was mir auf der Seele brennt. Mit deutlichen und bisweilen leider und zugegebenermaßen auch etwas reißerischen Worten. Sie äußern Zweifel. Bedauerlicherweise ist das erste, was sie daraufhin tun müssen, sich dafür rechtfertigen. Verdrehte Welt.

Aussprache von Zweifel an den Maßnahmen und an den kommunizierten Inhalten der Situation, in der wir uns seit Mitte März 2020 befinden, führen dazu, dass sich die Zweifelnden dafür rechtfertigen müssen und sogar zu den sogenannten „Reichsbürgern“ und rechten Holzköpfen gepackt werden.
Über Proteste und Widerstand wird einseitig berichtet und das Bild derer, die die Maßnahmen ablehnen oder zumindest hinterfragen, durch Vorurteile vorgegeben, sodass diese, ja sodass ich mich dauernd in der Defensive wähne.
Defensive, obwohl ich für meinen Teil nichts anderes versuche, als darauf aufmerksam zu machen, dass wir uns derzeit zu Opfern einer Massenhysterie machen lassen.

Ich versuche nicht mal, irgendeine Verschwörung oder andere Ziele dahinter zu äußern oder gar zu vermuten. Das überlasse ich anderen, die das mit mehr oder weniger Wahrheitsgehalt be- oder widerlegen können. Es ist mir persönlich auch völlig egal, ob jemand dahinter steckt oder wer das sein könnte. Das Resultat ist, was für mich zählt.
Für mich zählt das, was ich mit meinen Augen sehe und nicht das, was mir das Fernsehen, das Internet oder welches Medium auch immer, zuträgt. In der Auswahl dessen, was hier glaubwürdig ist und was nicht, ist jeder auf seine subjektive Wahrnehmung angewiesen. Was mir zugetragen wird, ist für mich nicht verifizierbar. Eine objektive Wahrheit gibt es nicht, seit es keine unabhängige Wissenschaft mehr gibt, und der Fehler, dem die meisten Menschen derzeit zu aufsitzen ist, dass sie diese Wahrheit vermuten. Sie hinterfragen nicht. Das Betrachten von Dingen aus der Distanz und das Reflektieren darüber, findet nicht statt. Das schlimmste dabei ist aber noch, dass der große Teil der Menschen jene Lügen straft, die nicht alles unreflektiert glauben. Wie sich das von Leuten unterscheidet, die eine Schrift als Rechtfertigung für alles vor sich her tragen, erschließt sich mir nicht. Das ist die selbstgewählte Unmündigkeit.

Das ist das, was diese Gesellschaft versucht seit über 200 Jahren abzulegen. Das ist, was ich versuche den Menschen in meinem Umfeld zu sagen: „schalt es ab und geh raus!“. Mach dir selbst ein Bild davon, was passiert.
Das Bild was ersichtlich ist, ist dass es eine Pflicht zum Tragen von Schutzmasken in Geschäften und öffentlichem Personennahverkehr gibt. In Bussen werden Absperrbänder gespannt, die dafür sorgen sollen, dass die vordersten Plätze frei bleiben und die Tür beim Fahrer bleibt geschlossen. Es findet kein Kontakt zwischen Fahrer und Fahrgast („Gast”) statt. Ticketkäufe können nur noch, zumindest bei uns, über die App des Unternehmens oder über die an einer Hand abzählbaren Automaten in der Stadt getätigt werden. Ersichtlich ist, dass viele Menschen verängstigt sind. Ersichtlich ist, dass überall Abstandsregeln eingeführt wurden. Ich wurde gezwungen in einem Supermarkt einen Wagen zu nehmen. Ob ich diesen brauchte oder nicht, war irrelevant. Für diesen Wagen war jemand abgestellt, der die Griffe desinfizierte, wenn sie zurück kamen. Diesen Wagen sollte ich durch den Supermarkt führen, um einen Mindestabstand einzuhalten. Zumindest vor mich. Weiterhin ersichtlich ist, dass Plexiglasscheiben als Schutz, beispielsweise zwischen Kassiererinnen und Kundinnen gezogen werden. Und ersichtlich ist, dass es sich hierbei um verpflichtende Maßnahmen handelt. Es gibt keine Freiwilligkeit. Vergleiche zur Legitimierung und Erklärung dieser Maßnahmen sind die Gurtpflicht im Straßenverkehr und das Tragen von Kleidung. Ich lasse das nun einfach unkommentiert. Diese Dinge sind an der Oberfläche ersichtlich.

Richte ich meinen Blick tiefer, wie es an Arbeitsstätten, Schulen, Cafés, Kneipen, anderen Einrichtungen läuft, die wieder öffnen dürfen, ist die Lage noch seltsamer. Absurd hieran ist, dass diese Auflagen als Lockerungen verkauft und auch als solche verstanden werden. Ohne darüber nachzudenken oder dies zu hinterfragen.

Wenn all diese Dinge nicht wie blinder Aktionismus aussehen, dann muss ich mir die Definition dieses Wortes wohl nochmal genauer zu Gemüte führen. Es wird offen darüber gesprochen Menschen mit Handy-Apps zu beobachten. Nicht, dass das nicht sowieso schon ganz ohne eigene Apps längst passiert, nun gibt es endlich einen Grund es offiziell zu machen. Wieviel Dystopie brauchen die Menschen noch, frage ich mich?
In meinem vorherigen Post sagte ich, ich bin absolut bereit einzugestehen, wenn ich mich irren sollte und das bin ich immer noch. Etwa sechs Wochen später bewahrheiten sich meine Befürchtungen und ich stelle zunehmend fest, dass mir Zwänge auferlegt werden und meine Grundrechte immer mehr aufgelöst werden.

Eine ganz neue Etikette etabliert sich. Umarmungen, Händedruck, wie auch immer sich Menschen gegrüßt oder verabschiedet haben mögen, wird umgelernt werden müssen. Das ist nicht schlimm aber auch hier ist es wieder der Zwang, der damit einher geht, den ich aus meinem tiefsten Inneren ablehne. Begrüßen wir uns künftig nur noch mit einem Wai, wie es in Thailand geschieht, soll mir das aus vielerlei Hinsicht sehr recht sein. Werde ich aber angewidert angeschaut, wenn ich jemanden auf der Straße umarme, wird mir dadurch wieder aktiv das Gefühl gegeben, ich verhalte mich schädlich und bin schuldig daran, dass die Situation nicht besser wird.
Die Hexe ist schuld daran, dass wir von der Pest heimgesucht werden, weil sie jeden Morgen die Kuh melkt. Es fehlen nur noch die Fackeln und Forken.

Ich bin mit dem Grundsatz aufgewachsen, nicht alles zu Glauben, was ich im Fernsehen gezeigt bekomme. Das wird eine Weiterentwicklung der Aussage sein, nicht alles zu glauben, was in der Zeitung zu lesen ist, und vorher wird es wohl geheißen haben, Handelsreisenden nicht alles zu glauben, was sie einem so über oder aus fernen Ländern erzählen. Den Scharlatanen, die Haarwuchsmittel, Potenzverstärker und Medikamente verkauften.

Das Internet ist heute unser aktuelles Medium. Doch nur, weil die Nachrichten sich schneller verbreiten als sie das noch vor 30 Jahren taten, macht sie das noch nicht glaubwürdiger. Und nur, weil eine Nachricht von vielen Menschen gebetsmühlenartig wiederholt wird, macht sie das nicht wahrer. Wir behaupten von uns dieses Medium zu beherrschen und merken gerade mit einer wahnsinnigen Wucht, wie wir davon beherrscht werden. Wie schnell eine Massenhysterie ausbrechen kann, wenn sich Nachrichten verbreiten, ohne geprüft zu werden, ohne gefiltert und hinterfragt zu werden. Es ist, als sei da plötzlich eine einzige große Bild-Zeitung, die mich anschreit und mich in Angst und Schrecken versetzen will, ja muss. Warum auch immer.

Die Presse, „die Medien“, wie auch immer man den aktuellen Überbringer von Nachrichten nennen möchte, haben ein geschäftliches, monetäres, ökonomisches Interesse. Das ist ihnen nicht anzukreiden. Das ist einfach eine Tatsache unseres Systems.
Hier in Deutschland sind wir in der Position behaupten zu können, Sendeanstalten zu haben, die durch eine Zwangsabgabe gefördert werden, sich damit aber zumindest eine gewisse Unabhängigkeit bewahren können.
So möchte ich mir auch nicht den Stempel des „Medienhassers“ oder ähnlichem aufdrücken lassen, weil ich durchaus der Ansicht bin, dass wir etliche Journalistinnen haben, die einem Berufsethos folgen und idealistisch getrieben sind. Ich bin ebenfalls der festen Überzeugung, dass sie ein integraler Bestandteil unserer Gewaltenteilung sind. Investigativer Journalismus, der aber nicht einfach unreflektiert weiterpustet, was andere schreien, braucht aber Zeit und die wird in dieser Situation niemandem zugestanden, weil jene, die dieses Berufsethos nicht haben, und das ist die überwältigende Mehrheit, bereits derart schreien, dass unter dem Geschrei kein Platz mehr für vernünftige Lautstärke ist.

Aus den Fernsehern werden die Menschen angeschrien und in Todesangst versetzt und ich muss kein Psychologe sein, um zu wissen, dass steter Tropfen den Stein höhlt. Wer sich dem Geschrei nur lange genug aussetzt, hält es früher oder später für wahr und trägt es weiter. Egal von welcher Quelle. Quellen wird sowieso schon lange nicht mehr hinterfragt.
Alle, ja alle, behaupten sich auf wissenschaftliche Angaben und Aussagen zu stützen und das wissenschaftlichste, die Quellenangaben, wird in den meisten Fällen einfach nicht genannt. Selbst da, wo sie genannt werden, werden sie nicht geprüft oder weiter hinterfragt.

Und hier wird das absurde Stück dann dystopisch: jene, die die Zahlen nicht nur hinterfragen, sondern widerlegen, werden als Spinner und Lügner abgetan. Sie werden in einen Topf geworfen, mit „Wutbürgern“, mit identitären und AfD-Kleingeistern, tun dabei aber nichts anderes, als sich exakt an die Wissenschaft zu halten, die andere so arrogant und schützend, vor sich halten.
Es gilt das Gesetz der Falsifizierung. Eine These wird aufgestellt und diese gilt so lange als wahr, bis sie widerlegt ist. Ich bin weder Wissenschaftler irgendeiner Art, noch verfolge ich sie, doch weiß ich, dass es eine These und einen Beweis gegeben hat und diese ist mit Gegenbeweisen widerlegt worden. Wo nehmen die Menschen und insbesondere die Medien, die das Bild verbreiten die unglaubliche Arroganz her, das als Lüge zu bezeichnen? Und warum wird es nicht als diese Arroganz wahrgenommen?

Es geht mir hier nicht darum den Prügelknaben und Sündenbock zu nennen. Der Mensch, der genauso ein Wissenschaftler ist wie jene, die zu ihm in Opposition gehen. Es ist aber kein Diskurs mehr möglich, weil das Wort dieses Menschen mittlerweile entgegen seines eigenen Willens, zur Handlungs-Order geworden ist. Er hat sich nicht falsch verhalten. Jene, die ihn zitiert haben und weiter zitieren, haben sich falsch verhalten und die Dinge, die er gesagt hat verdreht, und für reißerische Schlagzeilen ins Groteske aufgeblasen.

Der Glaube an „die Menschen“ ist leider auch kein Trost. Was und wen immer man mit „die Menschen“ meint, ist leider eine träge Masse, die kaum aus dem Wunsch heraus zu bekommen ist, bloß in Ruhe gelassen zu werden. Dem Gedanken, dass schon alles seine Richtigkeit haben und es schon vorbeigehen wird, wenn wir uns nur alle am Riemen reißen. Dieser an 1984 erinnernde imaginäre „Zusammenhalt“, der uns in dieser „schwierigen Zeit“ eingeredet wird. Plötzlich wirst du zum Teil des Ganzen. Plötzlich wirst du von jedem Plakat geduzt und die ganze arme Sklavenkaste unserer Gesellschaft, die inmitten dieser ganzen Panik trotzdem arbeiten muss, bekommt allabendlich Applaus von den Balkonen. Rührend.
Statt unsere Abhängigkeit von ihnen anzuerkennen, spenden wir ihnen unsere Herzenswärme, mit der sie dann auch mal versuchen können ihre Miete zu zahlen. Danke!

Auch das nicht von mir! Ich finde das widerwärtig. Meinen Dank gibt es das ganze Jahr über bei jeder Gelegenheit, die sich mir bietet und meine Stimme für die, die sich für eine bessere Bezahlung dieser Berufe stark machen. Aber ich schweife ab.

Diese Verlogenheit, dieser Eingriff, ja diese Beschneidung der Grundrechte, dieser ausbleibende Protest, diese Akzeptanz des Wahnsinns, sind alles Dinge, die noch vor einem Jahr nicht nur niemand für möglich gehalten hätte. Es sind Dinge, die niemand von sich selbst geglaubt hätte. Diese Ergebenheit ungeprüften Aussagen gegenüber: niemand hätte geglaubt, nächstes Jahr sich einfach so einer Maskenpflicht unterzuordnen oder ihre Daten in einem Café hinterlegen zu müssen, um sich an einen Tisch setzen zu dürfen. Aber siehe da: die „Lockerungen“ werden angenommen.

Noch besser: jene, denen das nicht reicht, die womöglich zurück zu dem wollen, wie es mal war, was, sind wir ehrlich zueinander nie wieder passieren wird, werden aktiv in eine Position gedrängt, die sie zu Schuldigen macht. Ich wünschte, ich könnte schon sagen, dass ich es ein bisschen übertrieben habe, mit meinen Befürchtungen und Vorahnungen. Kann ich nicht.
Mach die Nachrichten aus und geh vor die Tür, verdammt nochmal!

Wahrheit oder Pflicht?

tl;dr: “Fear is the mind killer”.

OK… wo fange ich an?
Sicher schade, dass ich so lange nichts mehr geschrieben habe, und mich die aktuelle Situation dazu nötigt. Schade, dass es seit Monaten nichts mehr gegeben hat, was sich hier vielleicht etwas erfreulicher gelesen hätte. Doch ich will mich nicht an dem aufhalten, was schade ist. Dazu gibt es noch Gelegenheit genug.

Während ich diesen Text schreibe, wütet draußen die Chole- … äähm … Corona, bzw COVID-19, wie es wohl korrekt heißen muss. Corona klingt nur geiler. Wie dem auch sei, seit zwei Wochen befinden wir, damit meine ich tatsächlich die Weltbevölkerung, uns im festen Griff eines Virus, von dem niemand so recht weiß, wie es aussieht, was was tut, woher es kommt und wohin es will.

So flapsig diese Zeilen auch klingen mögen, ist es der aktuelle Stand. Rätselraten allüberall, was noch lange nicht das schlimmste ist. Aber ich springe.

Es war von Toten die Rede. Die waren erst in China, wo sie weit weg und uninteressant waren. Und man erinnerte sich ähnlicher Geschehnisse aus der nicht allzu weit zurückliegenden Vergangenheit, wo dort auch schon mal etwas vergleichbares ausgebrochen war. Auch irgendwas grippeartiges, was tausende dahin gerafft haben soll. Aber richtig interessiert hat es niemanden. Doch dann begannen die Toten hierher zu kommen.

Gut, natürlich waren es nicht die Toten, die mit erhobenen Armen, nach Hirn verlangend irgendwie ihren Weg übers Meer zu uns schafften, sondern infizierte Reisende, derer wir tagtäglich abertausende hatten. Sicher gab es auch andere Übertragungswege aber das wird wohl einer der bedeutendsten gewesen sein.

Hier begann dann das Elend. Plötzlich und unerwartet begannen auch hier die Menschen zu sterben. Die Zahlen der Toten stiegen rasant an. In Europa war Italien das erste Land, was mit katastrophenartigen Zuständen zu kämpfen vorgab und dies wohl noch bis heute tut.

Innerhalb weniger Tage wurden Reiseverbote ausgesprochen, es wurden Menschen in Quarantäne gesteckt, die Kontakt zu Infizierten gehabt haben könnten und die Zahlen der Toten, gerade in Italien, stiegen schneller als die Regierung Maßnahmen zur Eindämmung eingreifen konnte.

Hier ging derweil das Leben weiter. Die Menschen gingen ihrer Arbeit nach, der Axel Springer Verlag verbreitete Angst und Schrecken vor allem möglichen und unmöglichen und die Situation in Italien wurde als beunruhigend aber weit entfernt beobachtet und es wurden gelegentlich darüber die Augen verdreht.

Das Killer-Virus aber, Gesetzen und Verboten so indifferent gegenüber wie es sich nur wenige seinesgleichen trauen, reiste und hatte die völlige Überwältigung und Schockstarre im Gepäck.
Hier muss ich allerdings dann etwas vorsichtiger mit meinen Aussagen sein, denn gesehen habe ich das Virus selbst noch nicht.

Alle sagten also, das Virus sei nun auch hier und nun werden auch wir alle sterben.

Der Rest ging überraschend schnell.
Es wurden Erlasse zur Schließung von Kindergärten, Schulen und Universitäten ausgegeben, um persönliche Kontakte einzudämmen, Cafés und Kneipen sollten keine Gäste mehr einlassen und selbst der Kontakt zu Spielgerät auf Spielplätzen wurde als gefährlich eingestuft und es folgte die Absperrung.

In Dingen, die totalitäre Staaten so tun, gehen unsere bayrischen Freunde uns gerne voran, und verhängten zusätzlich noch Ausgangssperren.

Wer jetzt noch nicht vom Ernst der Lage überzeugt war und immer noch die Augen verdrehte, sonst aber versuchte seinem Leben wie gewohnt nachzugehen, war spätestens jetzt gezwungen in diesem absurden Stück mitzuspielen.

Plötzlich zeigten sich Anzeichen einer Massenhysterie, und die Menschen kauften Regale in Supermärkten leer. Nudeln und Toilettenpapier. Nutzte ich das Wort “absurd” bereits? Gut.
Die Menschen wurden – ich denke, ich wechsle hier dann in den Präsens – werden durch Schilder dazu aufgefordert abstand voneinander zu halten, Supermarkt-Kassen und andere Schalter, an denen Interaktion nötig und überhaupt noch möglich ist, wenn noch nicht geschlossen, sind mit Plexiglasscheiben ausgestattet worden, um die Menschen, die dort ihre Arbeit tun vor den anderen, die natürlich alle potenzielle Virenschleudern sind, zu schützen.

Geschäfte lassen nur noch eine maximale Anzahl von Menschen in ihre Ladenlokale, um die Ansteckungsgefahr niedrig und den gegenseitigen Abstand hoch zu halten.

Ja. Ich weiß. Womöglich ist das alles gar nicht so dumm. Vielleicht hat es ja einen guten Grund, dass man so ausrastet.

Vielleicht.

Das ist wohl ein Wort, an dem ich festhalte, und welches das größte Zugeständnis meinerseits ist, was ich bereit bin zu geben.

Angst macht dumm.
Keine große Erkenntnis von mir, sondern evolutionär bewiesene und bedingte Tatsache.

Derzeit besteht das Virus für mich aus nichts anderem als der Angst, die den Menschen überall auf der Welt gemacht wird, und den Restriktionen, die damit einhergehen und mich anders ängstigen.

Es gibt wohl eine selektive Wahrnehmung dafür, was geglaubt wird und was nicht und wem geglaubt wird und wem nicht. So scheinen wir Zahlen zu glauben, die aus einem Land kommen, deren Pressefreiheit wir die letzten Jahrzehnte besorgt beobachtet haben, und wo Leute die Medien in der Hand haben, die durch “bunga-bunga”-Aussagen für ihre Tiefgründigkeit, Weisheit und ihre Philantropie berühmt geworden sind.

Wir glauben einem Land, was wir als totalitäres Regime bezeichnen, seine Zahlen und sind auf die Ehrlichkeit der Wissenschaftler angewiesen, die staatlich überwacht werden. Wir glauben den Zahlen eines Landes, was das Internet seiner Bewohner zensiert.

Wir glauben den Zahlen eines Landes, was sich durch einen Menschen regieren lässt, der nur durch und wegen der Position, die er besetzt ernst zu nehmen ist. Diesem Sinnbild für jeden offene Hand, die jemals eine Stirn berührt hat.

Wir glauben diesen Quellen Zahlen, die sich bei uns nicht verifizieren lassen und von dort nicht verifiziert werden, weil es nicht verifizierbar ist.

Es wird ein Experte zum Papst für alle Fragen hochstilisiert. Einer. Wir verlassen uns blind auf das, was dieser Mensch sagt und ignorieren alle anderen fachlich versierten Experten, die als Reaktion eine Augenbraue heben. Menschen, die nicht nur die Aussagen anzweifeln, sondern die Methoden hinterfragen, die zu den Ergebnissen führen, die diese Menschen präsentieren.

Wir glauben blind Zahlen, die von mehreren Seiten als nicht korrekt angezweifelt, gar von manchen Stellen als verwässert und manipuliert bezeichnet werden.

Es rufen Staaten den Notstand aus.
Das an sich ist weder neu, noch irgendwie besonders. Kritisch ist es dann, wenn in diesen Staaten Personen wie ein gewisser D. Trump (der, der sich nur mit der Handfläche an der Stirn ertragen lässt) an der Macht sind, der sonst auch nicht gerade mit Besonnenheit und Finesse auffällt. Auch der und sein Land wären mir eigentlich herzlich wurst aber nun haben er und sein Land ja leider ärgerlich viel Macht auf dieser Welt.

Menschen dieser Art an diesen Positionen rufen nicht einfach einen Notstand aus und heben den dann wieder auf, wenn alles wieder gut ist. Das ist eine Prognose.

Menschen beginnen sich zu organisieren, um sich voreinander zu schützen. Es entstehen Petitionen. Petitionen in Heilberufen, in denen von der Regierung verlangt wird, dass sie den Menschen dieses Berufes ein Einkommen sichert, so dass auch sie selbst sich nicht der Gefahr auf der Arbeit aussetzen müssen.

Diese verängstigten Bürger, die leider aufgrund ihrer Angst nicht weiter denken als bis zur eigenen Nasenspitze, vergessen allerdings, dass wenn nun andere auch auf die Idee kommen sollten, solche Petitionen ins Leben zu rufen, sie irgendwann niemanden mehr haben, dem sie ihr Geld im Austausch für Waren geben könnten. Wenn niemand mehr an der Kasse sitzt, kann man niemandem mehr Geld geben. Oder sind Menschen, die im Supermarkt arbeiten irgendwie weniger anderen Menschen ausgesetzt?

Wo wir gerade beim Thema “weiter denken, als bis zur eigenen Nasenspitze” sind: Mundschutz.
Mundschutz!

Ich gehe auf die Straße und sehe Menschen, die mit Mundschutz durch die Weltgeschichte laufen.
Bitte.
Macht man in Südostasien schon lange. Soll jeder machen, wie sie meint. Der schützt schließlich die Mitmenschen. So, als würde jemand konstant seine Hand vor den Mund halten. Also, danke Mundschutzträger für eure Rücksicht auf uns, die wir so unachtsam mit unserer eigenen Gesundheit umgehen. Dich selbst schützt du damit aber nicht zusätzlich.

Eine allseits bekannte Tatsache war es noch bis vor zwei Monaten, dass die übertriebene Nutzung von Desinfektionsmittel ungesund ist, das Immunsystem zerstört und Allergien hervorruft. Ich will hier mal davon absehen, was uns demnächst so blüht, wenn ich mir ansehe, wie selten Desinfektionsmittel in den Geschäften geworden ist.

Am Hauptbahnhof bot sich mir an einem Nachmittag ein geradezu groteskes orwell’sches Bild. Es waren drei Polizisten in Montur in der Halle des Bahnhofes und passten dort freundlicherweise auf etwa zehn Zivilisten auf. Ein Anteil der mich schon schlucken ließ.

Die Bildschirme im Bahnhof, auf denen aktuelle Nachrichten und Werbung im Wechsel angezeigt werden, zeigten neue Horrorzahlen, die Ankündigung, dass der Notstand seitens des eben erwähnten Staatsoberhauptes verlängert wird, und hymnenartig, subversiv und indoktrinierend Hashtags mit der Aufforderung zu Hause zu bleiben. Schön freundlich mit einem Dank aller, die gerade in diesen schweren Zeiten weiterhin für mich da sind und nicht zu Hause bleiben.

Es sind Strafen angedroht worden, wenn man sich versammelt. Bezahlung mit Bargeld wird als unhygienisch stigmatisiert bzw Kartenzahlung zur hygienischen Methode stilisiert.

Die Aufzählung bizarrer Entwicklungen könnte noch weiter gehen – doch warum das alles? Vielleicht ist es ja doch sinnvoll. Wie soll man denn sonst vorgehen?

Eines ist mal klar: nicht, indem die Menschen mit Angst dumm und hörig gemacht werden.

Die Risikogruppen waren in der Sache von Beginn an klar. Diese brauchen besonderen Schutz. Zu den Risikogruppen gehören nicht Kinder und Erwachsene mit einem gesunden Immunsystem. Eine Infektion mit dem Virus ist, so ist mein derzeitiger Wissensstand, unangenehm. Die Symptome stärker als die einer Grippe, doch sind die Krankheitssymptome überstanden, tritt eine Immunität ein. Alte und anderweitig geschwächte Menschen sterben jedes Jahr zu Tausenden an Grippe. Und, auch wenn das nun makaber klingen mag, frage ich mich, warum ein 91-Jähriger Mensch für die Presse derzeit an Corona gestorben sein muss und nicht, wie es noch vor einem Monat der Fall gewesen wäre, einfach daran, dass er 91 Jahre alt ist.

Es ist so frustrierend diese Dinge aufzuschrieben, weil während die meisten Menschen wohl eine ernstzunehmende Angst um ihr Leben haben, egal ob berechtigt oder nicht, ich diese Angst um meine Grundrechte habe. Auch ob berechtigt oder nicht.

Es wird bereits nach der Dauer der derzeitigen Situation gefragt und über ein “danach” gesprochen. Ich bin der Meinung, es wird kein “danach” geben. Auch wenn es vielleicht ganz gut ist, dass der Fokus eines Feindbildes weg von einer bestimmten Menschengruppe weg gelenkt wird und ins Diffuse geht, bin ich der Ansicht, dass die aktuelle Situation ein neues 9/11 sein wird.

Es wird nichts mehr so werden, wie es vorher war und es wird eine Zeit davor geben, an die man sich erinnert und eine zeit ab dem Virus. Der große Feind, der bisher Terror geheißen hat, wird nun Virus (wahrscheinlich wird es da noch ein paar geben) heißen und so, wie bisher mit dem Schutz vor dem Terror alles erklärt, argumentiert und durchgewunken wurde, was unsere Grundrechte aufweicht, wird das nun mit Hygienemaßnahmen der Fall sein.

Die ganze Situation ärgert mich in einem Maße, was ich kaum zu formulieren vermag, und die Angst der Menschen vor einander ängstigt mich auf eine Art vor der Zukunft unserer Gesellschaft, dass ich die Leute auf der Straße packen und schütteln will. Ich will sie erinnern, dass sie vor einem Monat diesen ganzen Wahnsinn selbst noch als solchen bewertet hätten, ich will sie von den Fernsehern und vom Internet weg ziehen und auf die Straße ziehen, dass sie selbst mit eigenen Augen sehen, wie die Lage wirklich um sie herum ist.

Menschen, die sich in Parks bei schönem Wetter getroffen haben, werden von Passanten mit bösen Blicken versehen. Sie tragen mit ihrem achtlosen Verhalten Schuld daran, dass das Virus sich verbreite, sagen diese verängstigten. Medien berichten über diese Menschen, als wären es Schwerverbrecher. In Kombination mit Androhung von Strafe führt das zu Denunziationen.

Kritische Artikel im Internet, die Aussagen richtig stellen, sind kurze Zeit zu lesen und verschwinden wieder. In China ist die Polizei den Menschen mit Drohnen hinterher geflogen und hat sie beobachtet. Ja, ich weiß. Das ist ja bloß China. Der böse, weit entfernte Unterdrückerstaat. Wir haben ja hier unser Grundgesetz.

In den USA sind Handfeuerwaffen derzeit der absolute Verkaufsschlager. Das sind einfach die Amerikaner, die gerne alle Waffen haben. Mit Angst voreinander hat das nichts zu tun.

Meine Hoffnung, um nicht auf einer so düsteren Note zu enden, ist, dass ich mich völlig irre. Ich hoffe sehr, dass ich absolut falsch liege und die ganze Sache den üblichen Gang des medialen Wahnsinns geht, mit vielleicht etwas verlängerter Halbwertszeit. Ich hoffe sehr, dass wir auf die Sache schon im Sommer, spätestens zum Ende des Jahres etwas peinlich Berührt zurück blicken können – mit dem Bewusstsein, dass da vielleicht etwas übersteuert worden ist.

Ich hoffe wirklich sehr, dass ich völlig falsch liege. Ich glaube es allerdings nicht.

Ob ich wohl noch Toilettenpapier habe?

…makes the heart grow fonder. (Oder: Impuls)

Er hatte sich eben schweren Herzens umgedreht und ging weg. Sie hatten sich gerade mit einer festen, langen Umarmung voneinander verabschiedet. Wieder eine Umarmung, die er lange nicht mehr so intensiv erlebt hatte, wie mit ihr und die, obwohl sie ein Abschied war, so von Freude darüber erfüllt war, einander gefunden zu haben und Vorfreude auf das Wiedersehen.

Er blickte sich um, sah dass sie das im Fortgehen auch tat.
Als er um die Ecke gegangen und aus ihrem Blickfeld verschwunden war, konnte er nur daran denken, wie es gewesen wäre sie zu küssen. Eine Stimme, die erst klein und leise in ihm zu hören war, schaufelte sich aus der Tiefe hervor und schrie „mach!“.

Er blieb stehen, hielt einen Augenblick inne, lauschte der Stimme und sagte ihr: „was? Quatsch! …“

Er argumentierte mit dem Eindringen in ihre Komfortzone, mit der Nötigung, die sie empfinden könnte, dass sie ihn an Ort und Stelle ohrfeigen, gar der Polizei ausliefern könnte. Sie kannten sich doch gerade zwei Wochen.

Die Stimme aber, befeuert durch den starken Wunsch, nahm Form an, griff ihn bei den Schultern, schüttelte ihn und sagte „lauf, verdammt nochmal!“.
Er nahm die Beine in die Hand und hoffte, er werde sie noch einholen. Sie war noch nicht weit gegangen.

Er lief, holte auf, sein Blickfeld wurde enger, er sah nur noch sie, griff ihren Arm, stellte sich ihr in den Weg, küsste sie und – sie erwiderte seinen Kuss.

Beide seufzten.

Auch vor Erleichterung.

(Soundtrack für diese Szene: etwas von Yann Tiersen)

Selig sind die armen im Geiste

Ich zwinge niemanden meinem Beispiel zu folgen. Diese Verantwortung will ich nicht übernehmen. Siehst du mich einen Marathon laufen und denkst dir, du möchtest das auch, dann freut mich das. Verletzt du dich dann aber dabei, mach mich nicht dafür verantwortlich.

Vorbildfunktion bringt, neben Verantwortung leider oft auch Autorität mit sich. Menschen, die mich als Vorbild betrachten, sprechen mir leider auch eine gewisse Autorität zu. Auch diese will ich nicht haben. Du bist dein eigener Mensch. Mach dir deine eigenen Gedanken und vertritt sie. Sei bereit sie zu korrigieren, wo sie dir fehlerhaft erscheinen und erlaube auch anderen dich auf deine Fehler hinzuweisen. Was heute stimmt, kann morgen schon falsch sein. Sowohl, was das tägliche Leben, als auch was deine Gedanken und Überzeugungen betrifft.

Statt mich als Autorität zu betrachten, gestehe mir doch bitte Empathie zu. Die Fähigkeit mich in deine Lage zu versetzen. So sehr dir meine Lage auch anders der deinen erscheinen mag. Gestehe mir die Fähigkeit zu, dir nicht deine Fehler unreflektiert vor die Füße zu knallen. Gestehe mir zu, dass ich dir nicht weh tun will. Gestehe mir zu, dass ich einschätzen kann, dass ich nichts sage, dass ich dir keine Lösungen vorschlage, von denen ich nicht weiß, ob oder dass du sie umsetzen kannst.

Jede/r die mal den Film „Matrix“ gesehen hat, war sicher ganz erschrocken von dem Bild vor sich hinlebender Menschen, die nichts sind als Arbeitstiere. Vieh, was sich ersetzen lässt. Ein Bild, was dem Wunsch nach Einzigartigkeit und Besonderheit in uns, oder zumindest mir, zusetzt. Ein Bild, was empört und in mir Widerstand weckt. Ich denke, zumindest auch in vielen, die es sehen. Im größten Teil dieser Vielen aber, davon gehe ich aus, ist dieses Gefühl, dieser Wunsch nicht zu dieser gesichtslosen, wertlosen Lebensmasse zu gehören, bald wieder vergessen. Spätestens wenn der Alltag kommt, gibt es wichtigeres als sich mit seinem Leben zu beschäftigen. Leben tut man halt einfach (vor sich hin) und gut.

Und das ist dann der Punkt, an dem Menschen wie ich, die versuchen Vorbilder zu sein, von anderen Menschen mit impliziten oder expliziten Fragen konfrontiert werden. Fragen nach dem Leben, deren Antwort so offensichtlich ist, dass die Frage sich eigentlich erübrigt. Spreche ich die Antwort dann aus, die weder besonderer Intelligenz noch Lebenserfahrung bedarf, spricht man/frau mir gerne die Fähigkeit zur Empathie ab.

Kommt eine solche Frage und ich weise darauf hin, dass zu ihrer Lösung Bewegung notwendig ist, ist die Replik seitens der fragenden Person Trotz, Widerwille und bisweilen Boshaftigkeit. Willst du etwas ändern oder nicht? Es ist die konstante Wahl zwischen der roten und der blauen Pille.

To what it boils down

Sofismus

Es ist ja nicht so, als hätte ich keine Ideen. Ganz im Gegenteil!

Ich trage sie mit mir herum und je nach Situation in der ich mich befinde, rücken sie mehr in den Vor- oder Hintergrund.

Das Problem: die Couch.

Hat sie mich einmal in ihren Fängen, ist es sowohl mit der Kreativität, als auch mit der Produktivität vorbei.

Jeder gefasste Vorsatz sinkt hier zuverlässig in die Kissen ein, denen ich mich hin- und ergebe und nähren das darin lebende, fette Prokrastiniertier.

Sobald ich mich jedoch aus dem Einflussbereich dieses gedankenkontrollierenden, hypnotisierenden Wesens entferne, fließen nicht nur die Ideen, sondern ich strotze auch nur so vor Tatendrang.

Plötzlich fallen mir all die Dinge ein, die ich mal endlich anfangen muss oder fertig bekommen sollte, statt herum zu lungern. Der Blog hat schon viel zu lange keinen Beitrag mehr bekommen. Das Bild, was ich angefangen habe, sollte ich mal weiter malen, die Podcast-Folge will immer noch fertig geschnitten werden, damit sie endlich veröffentlicht werden kann. Ja, sogar Dinge, die üblicherweise im Einflussbereich der bösen Couch selbst geschehen, wie endlich mal die ganzen ungespielten Spiele spielen, geraten dort für Passivität ins Hintertreffen.

Bin ich unterwegs, fliegen mir die Dinge, über die ich schreiben will, geradezu in den Kopf und wollen mir durch die Finger.

Unterwegs und weit weg von dem Motivationsmampfer, überkommt mich eine kaum zügelbare Tatenlust. Der Weg, den sowohl die Ideen, als auch die Energie meist nehmen, ist über die Hinterseite meines Körpers in das große, weiße, nimmersatte, gemeine Sofa.

So kommen wir nicht weiter, Sofa! Du wirst deine gefräßige Art und Weise wohl, wie ich dich kenne, nicht ändern. Dann ist es wohl an mir!

Corpus Delicti

Umweltschutz-Ja-Sager

Du würdest dich als umweltbewusst bezeichnen, richtig? Wer nicht? Du bist Umweltschutz! Wir alle sind es. Die deutschen gelten als weltweit sehr umweltbewusstes Volk. Ein schönes Klischee, was andere von einem haben können.

Wir lügen uns alle ordentlich was in die Tasche. Umweltschutz ist so ein schönes, abstraktes Wort, was wir ganz toll als gute Sache abnicken können. So polemisch wie ,,Sicherheit” oder ,,Wohlstand”. Wenn die Umsetzung, das Mitmachen nur nicht so anstrengend wäre. Das sollen die anderen mal machen.

Wir haben uns derart an unser komfortables Leben auf Kosten anderer gewöhnt, empfinden diese Lebensart gar als selbstverständlich und notwendig, dass wir nicht bereit sind, uns auch nur mit dem Gedanken zu befassen, dass dieser Luxus in vielerlei Hinsicht gefährlich ist. Von jenen, die diese Gefahren völlig abtun, möchte ich nicht anfangen zu sprechen.

Angefangen bei Lebensmitteln, die alle nichts mehr kosten dürfen. Von denen niemand in der Kette der Erzeuger mehr etwas für die Arbeit bekommt, damit wir hier unsere Mango zum selben Preis wie in Thailand essen können.

Über die Kleidung, die kiloweise zu unglaublich niedrigen Preisen verkauft wird, weil sie in Ländern, in denen es unsere Gesetze für Kinder- und Arbeitsschutz nicht gibt, hergestellt wird. Die sind uns egal. Hauptsache unsere Kinder können billige Firmenlogos durch die Gegend tragen.
Aber wehe, man spricht hier davon, ein Werk eines Fahrzeugherstellers zu schließen, der seit Jahren seine Kunden nach Strich und Faden belügt.

Bis hin zu den fossilen Brennstoffen, die bekanntermaßen bald ausgehen und sowieso längst als Energiequelle hätten ausgetauscht werden sollen, wäre da nicht die verdammte Bequemlichkeit.
Die geht so weit, dass selbst unseren Jüngsten keine körperliche Bewegung mehr zugetraut wird und denen damit von klein auf die Chance genommen wird es anders zu erleben.

Es geht mir nicht um die dummen, die es nicht begreifen wollen.
Es geht mir hier um jene, die es besser wissen und trotzdem unwillig sind, aus ihrer bequemen Position heraus zu kommen.
Es geht mir um jene Menschen, die es besser wissen, die sich in Dingen der Bequemlichkeit aber gerne an den Unverbesserlichen orientieren.

Jene, die bei Lufttemperaturen um 40°C immer noch darauf bestehen, ihre faulen Hinterteile in ihren rollenden Hitzeerzeugern (Verbrennung!) durch die Weltgeschichte zu rollen, obwohl sie genau wissen, dass sie damit aktiv zur Verschlechterung der Situation beitragen.

– „Ich fahre nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit“ – obwohl der Arbeitsplatz unter 1km entfernt ist.

– „Ich bin schon Vegetarierin, sollen die anderen auch erst mal aufhören Fleisch zu essen!“

– „Das kommt doch sowieso alles auf den selben Haufen – warum soll ich es vorher mühsam trennen?“

…und noch etliche andere Ausreden, in denen gerne auch mal die eigenen Kinder als Grund für die eigene Faulheit vorgeschoben werden.

Wir werden keinen Millimeter vorwärts kommen, wenn niemand bereit ist, Opfer zu bringen.

Nichts wird sich ändern, wenn alle auf ihre ganz persönlichen Ausnahmen bestehen.

Aber statt nur zu motzen, erinnere ich mich lieber an jene, die zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit Öffentlichen unterwegs waren. Ob die das alle freiwillig gemacht haben, sei mal dahin gestellt. Es gab sicher einige, die lieber den eigenen Wagen genutzt hätten, genauso wie es sicher einige gegeben hat, die lieber nicht das Auto genutzt hätten. Danke.

Intelligenter sein ist anstrengend.

Happy Overshoot Day everyone!

Kochbuch 06 – Bedrängnis

Die hier erzählte Geschichte und alle dazugehörigen Teile, sind frei erfunden. Jedwede Ähnlichkeit zu real existieren Menschen oder Ereignissen ist zufällig. Der Anfang dieser Geschichte ist hier zu finden: Kochbuch 01

Einige dieser Geschichten könnte man vielleicht in anderen, problematisch ausgegangenen Ehen auch wiederfinden. Andere wiederum sind derart wahnsinnig, dass ich beim Aufschreiben denke, dass sie mir niemand glauben wird. Vielleicht würde ich sie selbst nicht glauben, würde ich sie nicht selbst erleben. Aber die Entscheidung über Glaube oder Unglaube kann ich nicht fällen. Ich halte einfach fest, was mir widerfahren ist.

So, wie ich gerade daran zweifle, dass mir jemand glaubt, habe ich an meinem Verstand gezweifelt, als ich dieses Wochenende nach Hause kam und sah, was ich jetzt schildern werde.

Als diese Dinge geschahen, arbeitete und wohnte ich während der Woche bei einem Freund in Aachen und fuhr am Wochenende nach Hause in meine eigene Wohnung nach Essen.

Sobald ich in die Wohnung kam, öffnete ich immer zuerst die Fenster und zog die Rollos hoch, um zu lüften. Aus Rücksicht auf meine Nachbarn, ließ ich an manchen Wochenenden die Rollos unten und öffnete lediglich die Fenster. Meist weil es schon sehr spät am Abend war und die Rollos sehr laut sind. So auch an diesem bestimmten Wochenende. Als ich sie am nächsten Morgen dann hoch zog blickte ich hinaus in den Hof, wo sich meine Garage und ein kleiner Garten befanden, die ich quasi alleine nutzte. Ich sah, dass dort einige Dinge, darunter auch das Laufrad meines Sohnes und mein Räucherschrank, mitten im Garten verteilt lagen.

Ich erschrak über diesen Anblick aber mein erster Gedanke, neben dem Schrecken, war die Frage, ob ich diese Dinge möglicherweise selbst dort habe liegen lassen und mich einfach nicht mehr daran erinnerte. Es war einfach alles aufgehäuft und lag verteilt da, was nicht meine Art ist.
Ich ging auf den Hof und schaute aus der Nähe, ob etwas auf einen Einbruch oder Diebstahl hinwies. Doch nichts fehlte und es war auch nichts zerbrochen oder beschädigt.

Nach einer rationalen Erklärung suchend und hoffend, dass meine Nachbarn vielleicht ihren Wagen im Hof gewaschen hatten, wie sie es manchmal taten, schritt ich etwas beschämt zu den Nachbarn über mir, um zu klingeln und zu fragen, ob sie eventuell die Dinge so im Garten umgestellt hatten. Sie konnten mich nicht beruhigen. Mitbekommen hatten sie auch nichts.

Die Gewissheit über die Wahrscheinlichkeit, dass Hagar oder einer ihrer Handlanger sich mit ihrem bisher nicht abgegebenen Haus- oder Garagenschlüssel Zutritt während meiner Abwesenheit verschafft hat, wurde größer und bereitete mir immer mehr Unbehagen.

Der Austausch von Schlössern und die Installation von Kameras sollten also nun der Status sein, an dem sich dieser Konflikt gerade befindet?

Streng genommen sollte mich das wohl nicht mehr überraschen, nachdem ihr Mann und ihre Brüder mittlerweile sogar vor halsbrecherischen Manövern nach einem der Umgangstermine nicht zurück schreckten.

Mittlerweile hatten die Umgangstermine bzw die Treffen zur Übergabe, den Charakter eines illegalen Handels auf einem Parkplatz angenommen und ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen, die das aus der Entfernung sehen, etwas in der Art auch annehmen.

Nachdem ihre Brüder und ihr neuer Mann mich auf einem öffentlichen und zentralen Parkplatz mit ihren Autos bedrängt und bedroht hatten, musste ich gerichtlich durchsetzen, dass wir dazu übergehen uns auf dem Parkplatz der örtlichen Polizei zu treffen und dort den Empfang unseres Sohnes durchführen.

Bei diesen Übergaben blieb sie zu Hause und schickte ihren Mann. Ob dieser ihr befiehlt dort zu warten oder sie ihm befiehlt die Übergabe mit mir durchzuführen, weiß ich nicht. Um das Clichée der armen, unterdrückten Frau mit Kopftuch aber nicht zu befeuern, denn sie ist das Gegenteil und der lebende Beweis dafür, dass es ein reines Clichée ist, sage ich, dass sie die Fäden in der Hand hält. Auch, was die Übergabe und ihre ausbleibende Teilnahme daran betrifft.

Für mich zählte nur, was gerichtlich geregelt war. Wer anwesend sein durfte und wer nicht. Das war keine Härte meinerseits, sondern das Resultat von 13 Verfahren, das 14. war zur Niederschrift dieses Textess grade im Anflug, innerhalb von 2,5 Jahren, die gegen mich angestrengt wurden. Ich achtete mittlerweile auf jedes geschriebene Wort.

Jedenfalls kamen sie, entweder ihr neuer Ehemann oder der Bruder, den sie während unserer Ehe noch gerichtlich auf Distanz halten wollte, wortkarg und latent aggressiv, meinen Sohn ungeduldig zu mir hin- oder von mir wegzerrend. Und sie ist nicht dabei.

Nach dem letzten Treffen, ich hatte meinen Sohn gerade zu diesem Parkplatz zurück gebracht und er war wie immer verspätet abgeholt worden, bemerkte ich auf dem Rückweg plötzlich, wie ein Auto auf der Landstraße auf der ich unterwegs war, hinter mir sehr schnell zu mir aufschloss. Ich erkannte bald, dass das Auto welches da angerast kam, jenes war, in dem Hagars Bruder und ihr Ehemann meinen Sohn abgeholt hatten. Es war noch ein weiteres Kind im Auto.

Der Fahrer fuhr auf, ließ den Motor aufheulen und ich fühlte mich schnell bedrängt und genötigt selbst auf fast 100 km/h zu beschleunigen. Kurz überlegte ich, ob ich mal die Bremse antippe, um ihn zu erschrecken, doch ich verwarf diesen Gedanken schnell wieder, da mein Sohn ja auch in dem Auto saß und ich nicht riskieren wollte, dass ihm durch mein Verhalten etwas passiert. Es blieb mir also nichts, als diese Nötigung über mich ergehen zu lassen.

Fünf Minuten später, die sich für mich wie Stunden anfühlte, war der Spuk vorbei und der Wagen raste in halsbrecherischer Geschwindigkeit an mir vorbei. Mein Sohn winkte mir im Vorbeifahren zu.

Schweißgebadet fuhr ich rechts ran, um kurz auszusteigen und ein paar Minuten durchzuatmen.

Während dieses Manövers hatte ich ernsthaft damit gerechnet, dass mir etwas zustößt, war aber außergewöhnlich gefasst. Diese Anspannung löste sich jetzt und während mir die Bilder durch den Kopf flogen, was alles hätte passieren könen, wählte ich wie in Hypnose eine Nummer aus meiner Anrufliste. Meine Mutter ging ran.

So schwierig es nun auch war ausgerechnet mit ihr in dieser Situation zu sprechen, schließlich wollte ich mich beruhigen und nicht sie besorgen, ließ ich mich auf ein simples Gespräch, etwas small-talk ein.

Sie fragte mich gelassen, ob ich gerade meinen Sohn abgegeben hatte und ob alles gut gelaufen war. Ich antwortete „klar, was soll schief gehen?“
„War deine Ex auch da?“ fragte sie und ich antwortete, dass wie immer nur ihr Mann dagewesen war.
Sie beendete darauf bald das Gespräch mit einer Einladung zum Essen und wir verabschiedeten uns voneinander.

Sie sollte doch bitte nur in der Leitung bleiben. Zwar wollte ich ihr nichts von dem sagen was gerade vorgefallen war, doch wollte ich einfach jemanden haben, der gerade am anderen Ende dieses Telefons ist.

Einen Abend zuvor hatte ich mit meinen Eltern tatsächlich noch die Diskussion, ob es nicht vielleicht vernünftig wäre vorrübergehend meinen Sohn zu „vergessen“ und auf den Streit vor Gericht wegen Durchführung von Übernachtungen zu verzichten.

Aber das kam für mich ebenso wenig in Frage, wie die Erwähnung dessen, was gerade kurz vor diesem Anruf vorgefallen war. Ich ließ sie also das Gespräch beenden und verabschiedete mich und fuhr weiter.

Mein Freund, dem ich diese Geschichten erzähle, versucht mich immer zu beruhigen und mir zu sagen, ich soll mich nicht von meiner Ex und ihren Schikanen einschüchtern lassen, nicht paranoid werden, weil sie das genau erreichen will.

Rational weiß ich, er hat recht aber wie zum Teufel soll ich das bitte machen? Seit diesen Vorfällen ertappe ich mich wieder dabei, wie ich genauer hinter jede Ecke schaue. Selbst die Sorge, dass sie etwas an meinem Auto manipuliert oder manipulieren lässt, habe ich besagtem Freund bereits genannt.