…an den Eiern!

Verzeih die Wahl des etwas vulgären Equivalents des schönen Sprichwortes “die Gelegenheit am Schopfe packen”, doch je dreckiger der Sprech, desto mehr Aufmerksamkeit. Selbst jene, die sich daran stoßen, sind nun darauf aufmerksam und stoßen sich daran. Ist halt so.

Das soll aber nicht Inhalt dieses Posts sein. Jüngst habe ich eine schöne Erfahrung bei der Arbeit machen dürfen, die ich hier festhalten möchte. Auch wenn es keine brandneue Weisheit ist, die sich daraus ergibt, inspiriert die Geschichte ja vielleicht jemanden. Fahren wir denn fort und beginnen mit einer kleinen Beschreibung der Umgebungsvariablen.

Etwa ein Jahr vor Niederschrift dieses Textes, habe ich eine Stelle als Systemadministrator an einem Institut unserer hiesigen Universität angetreten. Meine erste Stelle im öffentlichen Dienst und die erste Stelle, nachdem ich eigentlich nicht mehr in die IT zurück wollte. Doch hier war ich also: wieder mit etlichen Servern und Clients in meiner Obhut und mit einem sehr freundlichen Kollegen, der sich die Stelle mit mir teilt.

Meine erste Stelle im öffentlichen Dienst und der Kontrast zur Arbeit in privaten Firmen wurde ziemlich schnell deutlich erkennbar. Was mir persönlich am schnellsten und am deutlichsten auffiel, war wie ineffizient mit Geld umgegangen wird. Die Gründe hierfür sind sicher sehr viel vielschichtiger, als ich es hier vermag aufzuzeichnen oder überhaupt zu durchblicken, da ich mit den Gesetzen nicht vertraut genug bin, die in dieser eigenen Welt gelten aber es ist sehr offensichtlich, auch für jemanden, der weder betriebswirtschaftlichen, noch einen Management-Hintergrund hat.

Zwei große Faktoren wiegen meiner Ansicht nach in dieser Gleichung am schwersten:

  1. Die Entscheidenden haben keine Ahnung.

    Selbstverständlich können die entsprechenden Personen, die über die Frage entscheiden, ob ein Teil des Budgets für A, B oder C ausgegeben werden soll, nicht bei allen Themen informierte Enscheidungen treffen. Das kann niemand erwarten. (Ich fühle mich unfreiwillig an andere Staatsdiener erinnert …)

  2. Leute die Ahnung hätten, sind meist desillusioniert und lethargisch.

    Im öffentlichen Dienst, zumindest im kleinen Teil davon, den ich in der Zeit beobachten durfte, stellt sich schnell eine verzweifelte “ach, das wird doch eh nichts”-Einstellung ein. “Der öffentliche Dienst: Wo Ideen sterben gehen”. (Wieder erinnert es mich an eine andere staatliche Einrichtung…)

So auch an diesem Institut. Mein Kollege, seines Zeichens bereits weit über 10 Jahre dort angestellt, hatte längst den Willen verloren, etwas in Bewegung zu bringen. Er war an einem Punkt angekommen, wo es nur noch wichtig war, den Status Quo aufrecht zu erhalten. Er war in seinen Ideen über die Jahre in eine sehr enge Schachtel gezwängt worden, aus der er sich nicht mehr traute mit neuen Vorschlägen heraus zu kommen, weil er schon so oft zurück gestutzt worden war. Er hatte hier auch eine schier endlose Kette an Geschichten die seine Erlebnisse hierüber dokumentierten. Und so war er dankbar für den frischen Wind, den ich seiner Aussage nach in die verstaubten Hallen gebracht haben soll. Als ich ihm dann auch meine Idee für eine Entwicklung der IT des Insituts vorstellte, war seine Erkenntnis vor allem, dass er größer denken muss. Ich hatte in dem Plan, den ich aufgezeichnet hatte, noch nicht mal irgendwelche übermäßigen Zaubereien skizziert, sondern lediglich den Stand, den ich vor etwa zehn Jahren bei meinen bisherigen Arbeitsplätzen so gesehen hatte.

Begeistert war er von der Idee definitiv. Der Hoffnung sie in die Wirklichkeit umzusetzen, gab er allerdings wenig Chance und sah nur die Rückschläge, die er bei seinen sehr viel kleiner angesetzten Versuchen erleiden hat müssen. Versuche in denen es um Bruchteile dessen ging, was ich vor hatte. Wo um lächerliche Beträge und Anteile geschachert wurde; wo Leute ihre Kompetenzen überschritten und fehlplatzierte Behauptungen aufstellten, die ihnen Freunde oder Familienmitglieder zugesteckt hatten, um hier und dort noch etwas zu knausern. Erlebt man das über Jahre, erstickt sicherlich jede Flamme.

Dankenswerterweise habe ich dieserlei Rückschläge und Abweisungen in meiner Berufslaufbahn noch nicht erleben müssen. Das Gegenteil war eher der Fall. Brauchte ich etwas, wurde meist nicht lange gefragt, sondern es wurde beschafft. War es doch etwas teurer und ich musste Überzeugungsarbeit leisten, war das auch nicht weiter schlimm und ich konnte erfreulicherweise schnell entsprechende Unterschriften bekommen.

Das hat sicher auch damit zu tun, dass ich nicht erst durch mehrere brennende Reifen springen musste, um an die Unterschrift mit der entsprechenden Berechtigung zu gelangen. Es war meist ein:e direkte:r Vorgesetzte:r oder ein Kolleg:in, der/die mir die nötige Unterschrift geben konnte.
Anders im öffentlichen Dienst, wo es nicht nur eine Person, sondern mehrere Herrschaftsansprüche und Hierarchien mit unterschiedlichen Interessen zu beachten und zu überzeugen gilt. Es zeigte sich mir mehr und mehr, dass hier nicht an einem Strang gezogen wird, sondern es mehr Politik ist als kollegiales Miteinander. Erzählungen von Freunden aus anderen Teilen des öffentlichen Dienstes sollten mir das über die Zeit bestätigen.

Das konnte und wollte ich so nicht akzeptieren. Ich bin in einer Umgebung der Kommunikation und der Argumentation aufgewachsen und hatte diese Werkzeuge bis dahin in einem kollegialen Umfeld erfolgreich nutzen können. Warum also nicht auch hier?

Ich setzte mich hin, überlegte mir ein Konzept, wie ich meine direkte Vorgesetzte von meiner Idee überzeugen könnte, damit sie wiederum in ihrer Runde für meinen Vorschlag wirbt und sprach sie, in der Hoffnung einen Gesprächstermin mit ihr zu kriegen, darauf an. Anstatt mich, wie ich es mir eigentlich gedacht hatte, zu einem Gespräch zu zweit einzuladen, lud sie mich direkt in die Runde der entscheidenden Professor:innen ein, wo ich meinen Vorschlag unterbreiten sollte.

Zunächst etwas irritiert davon, dass ich nun vor so vielen Leuten, statt nur mit ihr sprechen sollte, legte ich mir eine kleine Präsentation zurecht und schilderte, was meine Motivation ist. Zu meiner Freude stieß ich (fast) nur auf offene Ohren und ich wurde gebeten meine Pläne beim folgenden Treffen konkreter darzulegen.

Um es kurz zu machen: beim nächsten Treffen der Dozent:innen bekam ich den Zuspruch und eine fast ungeduldige Frage danach wann es los gehen kann.

Bei der Vorbereitung auf dieses Meeting, bei dem ich meiner Idee dann auch ein Preisschild verpassen sollte, war ich sehr nervös, weil ich von all den Geschichten von Ablehnung eingeschüchtert war. Ablehnung, die sehr viel geringeren Kosten gegenüber ausgesprochen wurde. Ich war fast sicher, dass ich bei Nennung des Preises ausgelacht oder zumindest nicht ernst genommen werden würde. Nichts davon passierte. Offene Ohren, Begeisterungsfähigkeit und Bereitschaft stießen mir entgegen.

Während meiner Recherchen hatte ich oft darüber nachgedacht, es einfach wieder sein zu lassen, weil es ja sicher doch nichts geben würde, wie ein leises Stimmchen mir immer versuchte einzuflüstern. Ich fragte mich, wie ich denn diese Leute, die mich nicht kennen und die ich nicht kenne, davon überzeugen sollte, diese riesige Investition zu tätigen und sah die Arbeit, die mir das machen würde und ich dachte, ich lehne mich einfach zurück und versuche es zu ertragen. Ich bin sehr froh, dass ich mich überwunden und durchgerungen habe, dran zu bleiben und etwas zu bewegen.

Die richtige Arbeit kommt natürlich erst noch aber es wird Arbeit sein, mit der ich zufrieden sein werde und nicht welche, von der ich denke, dass sie nur so gerade das nötigste erfüllt. Und ich habe meinen lieben Kollegen mitgenommen, was mir an der ganzen Sache am wichtigsten war.

Also: bietet sich dir eine Gelegenheit, pack sie bei den Eiern!

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