Kochbuch 02

Die hier erzählte Geschichte und alle dazugehörigen Teile, sind frei erfunden. Jedwede Ähnlichkeit zu real existieren Menschen oder Ereignissen ist zufällig. Der Anfang dieser Geschichte ist hier zu finden: Kochbuch 01

Alle beugten sich der despotischen Herrschaft des Patriarchen und seiner Handlanger, der Söhne. Es gab keinerlei Widerstand in dem Haushalt, in dem meine Ex aufgewachsen ist. Die Söhne durften am schulischen und gesellschaftlichen Leben teil haben, die Töchter nicht. So war es in ihrer Welt einfach. Widerstand wurde mit Gewalt erstickt und da, wo die Religion nicht als Totschlagargument funktionierte, weil sie diese Umstände nicht stützte, wurde sich auf die Sitten und Gebräuche berufen.

Vielleicht höre ich mal auf, sie immer nur „meine Ex“ zu nennen. Ihr Name ist Hagar. Die Hoffnung für sie, ihren heimischen Umständen zu entfliehen, bestand in der Flucht durch Heirat.

Einfach ohne zu heiraten abhauen, kam für sie nicht infrage. Die Angst davor, dass die Familie sonst gewalttätig gegen sie sein könnte und eventuell auch gegen den Menschen mit dem sie flieht, hier also mich, war zu groß und eine Heirat sollte das verletzte familiäre Ehrgefühl zumindest dämpfen.

Nach unserer amtlichen Eheschließung, mehr war es nicht, war aber die Sorge und Angst nicht weg. Genauso wenig war anscheinend die Ehre ihrer Familie geschont geblieben. Am selben Abend noch begannen sie damit nach uns zu suchen. Und noch am selben Abend veranlassten wir eine Auskunftssperre bei der Polizei.

Ich war ihr zweiter großer, und bis dahin längster Fluchtversuch. Bevor ich kam, hatte sie schon etliche vorsichtigere Versuche unternommen. Sechs Mal hatte sie sich verlobt und zwei Mal eine islamische Trauung probiert, um auf diesem Weg dort heraus zu kommen. Die Herren, die es vor mir versucht hatten, hatten allerdings entweder nicht die Geduld oder nicht den Willen diesem gebrochenen Menschen zu helfen. Das ist aber Spekulation.
Sie erzählte mir während unserer Ehe, dass sie den Respekt vor manchen Herren verloren hatte, die sich genau wie sie selbst, von ihrer Familie einschüchtern ließen. Darauf verließ sie diese Männer, die sich nicht als die Ritter erwiesen, die sie in ihnen zuerst gesehen hatte und suchte woanders weiter.

Dass in einer Partnerschaft kein Platz für Gewalt jedweder Art ist, war und ist für mich selbstverständlich und das wollte ihr auch zeigen. Mein Glaube an das prinzipiell Gute im Menschen war Antrieb und ich wollte das bei ihr zutage fördern, es kultivieren. Hoffend, glaubend, wissend, dass in diesem Menschen auch etwas Wunderbares steckt – stecken muss!

Wenn sie mich ließ, wollte ich ihr die Liebe geben, die ihr in ihrem bisherigen Leben gefehlt hatte und die jeder Mensch zum Leben braucht.
Wenn sie mich ließ, wollte ich ihr dabei helfen, sich von den Taten ihrer Familie loszusagen. Wenn sie mich ließ, wollte ich ihr und mir beweisen, dass Kinder nicht die Fehler der Eltern erben und auch nicht danach gerichtet werden dürfen.

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